Das Magazin für Medizinische Fachangestellte

Fehler im Praxisalltag

Impfung mit gebrauchter Spritze

In der Rubrik Fehler im Praxisalltag stellen wir in jedem Heft einen Fall vor. Dieses Mal geht es um eine missglückte Impfung mit einer gebrauchten Spritze.

Dieses Ereignis wird aus einer Hausarztpraxis berichtet:

Was ist passiert?

Eine Patientin erhielt eine Grippeimpfung. Während der Impfung fiel dem Arzt auf, dass die Spritze leer war. Ein böser Verdacht keimte auf, und das Praxisteam begann mit der Recherche.

Der Arzt hatte am Vorabend bei einem Pflegeheimbesuch Bewohner geimpft, nach der Impfung die Schutzkappe aufgesteckt und die Spritze in die Kühlbox zurückgelegt. Bei der Rückkehr in die Praxis hat er einer MFA die Kühlbox mit den gebrauchten Spritzen zur Entsorgung übergeben. Wegen anderer anstehender Arbeiten hat diese MFA die Box einer Kollegin zur Entleerung übergeben. Diese wiederum hat die gebrauchten Spritzen zum Vorrat der neuen Spritzen in den Kühlschrank gelegt. Am nächsten Tag hat eine dritte MFA eine Spritze aus diesem Vorrat zur Injektion auf das Spritzentablett gelegt und dem Arzt übergeben. Der Arzt schließlich injizierte die Spritze in blindem Vertrauen der Patientin.

Was war das Ergebnis?

Die missglückte Impfung erfolgte mit einer gebrauchten Kanüle und die Patientin ist einem – wenn auch geringen – Infektionsrisiko ausgesetzt worden. Die Patientin hat zudem keinen Impfstoff erhalten.

Welche Faktoren trugen zu diesem Fehler bei?

Hier handelt es sich um eine ganze Reihe von Fehlern – und jeder einzelne Fehler trug zum Gesamtvorfall bei:

  1. Der Arzt hat gebrauchte Spritzen in die Kühlbox zurückgelegt.
  2. MFA 1 hat MFA 2 keine nachdrückliche Anweisung gegeben, die Spritzen zu entsorgen.
  3. MFA 2 hat sich nicht gewundert, dass so viele unbenutzte Spritzen vom Pflegeheimbesuch zurückkamen.
  4. MFA 3 hat nicht registriert, dass die Spritze leer war und statt mit einem Gummistopfen schon mit einer Kanüle bestückt war.
  5. Der Arzt hat die Spritze vor der Injektion nicht überprüft.

Wie hätte das Ereignis verhindert werden können?

Zukünftig gibt diese Praxis neben der Kühlbox auch eine Sammelbox auf Hausbesuche mit. Die Kanülen sind (ohne Schutzkappe) in der Kanülen-Sammelbox zu entsorgen und keinesfalls zusammen mit den neuen Spritzen zu verwahren.

Zudem hätte der Fehler durch klare Kommunikation zwischen den beiden MFA verhindert werden können. Hätte die erste MFA ihre Kollegin darauf aufmerksam gemacht, dass in der Kühlbox gebrauchte und ungebrauchte Spritzen liegen, wären die gebrauchten ordnungsgemäß entsorgt worden.

Auch eine zusätzliche Überprüfung durch die dritte MFA oder den Arzt am nächsten Tag hätte den Fehler rechtzeitig ans Licht gebracht und somit die falsche Injektion verhindert.

Wie häufig tritt dieser Fehler ungefähr auf?

Ein solcher Fehler trat erstmalig auf.

Kommentare von Nutzern:

1. Ich glaube das Problem hat am Vorabend begonnen. Ein erneutes Aufstecken der Schutzkappen sollte unterbleiben (Recapping). Dies ist eines der größten Risiken für Nadelstichverletzungen! Wir verwenden in der Praxis Kanülen mit Stichschutz nach der TRBA 250. Hierbei wird die Nadel nach Gebrauch verschlossen und kann kein zweites Mal mehr verwendet werden.

2. Das ist mir so noch nie untergekommen. Denn seit vielen Jahren entsorge ich die Kanülen sicher entweder in der Box des Altenheims oder in meiner.
Übrigens: Auch die MFA 2 war bei der Entsorgung einer erheblichen Infektionsgefahr ausgesetzt: Die Schutzhülle hält nach dem – eigentlich obsoleten – Recapping nicht mehr sicher auf der Kanüle und kann schnell zu einer Stichverletzung führen ...

Tatjana Blazejewski

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