Demenzerkrankungen in der Praxis
Ausgetickt
Die häufigste Form der Demenz ist die Alzheimerkrankheit. Dabei wird mehr und mehr Hirnsubstanz abgebaut, vor allem in der Hirnrinde, wo auch unser Gedächtnis und andere „höhere“ Hirnleistungen lokalisiert sind. Die genaue Ursache ist nicht bekannt, es kommt aber zu einer typischen Ablagerung bestimmter Eiweißpartikel im Gehirn. Ob diese Ablagerungen Ursache oder Folge des Unterganges von Nervenzellen sind, wird noch diskutiert. Als Folge verliert das Gehirn jedenfalls die Fähigkeit, neue Informationen aufzunehmen. Man spricht von kognitiven Einschränkungen.
Diagnose und Verlauf
Die Diagnose wird anhand von festgeschriebenen Kriterien gestellt. Sprechen die erhobenen Symptome für eine Alzheimerkrankheit, müssen durch weitere Untersuchungen andere Formen der Demenz sowie Erkrankungen, die mit ähnlichen Symptomen einhergehen können (wie etwa Parkinson-Krankheit oder Hirntumore) ausgeschlossen werden. Zumindest in schwierigen Fällen arbeiten dabei der Hausarzt und ein Nervenarzt zusammen. Zum Ausschluss anderer Erkrankungen wird das Blut untersucht und in einigen Fällen eine Computertomografie des Kopfes durchgeführt.
Man unterscheidet bei der Alzheimerkrankheit ein leichtes, mittelschweres und schweres Stadium; bei der Einschätzung des Schweregrades helfen kurze Tests wie der Mini-Mental-Status-Test (MMST). Er dauert etwa 12 bis 15 Minuten und kann problemlos von einer geschulten Helferin durchgeführt werden. Aber auch andere kurze Testverfahren wie der Uhrentest sind dazu geeignet, sich einen brauchbaren Eindruck über den Schweregrad der kognitiven Beeinträchtigung zu verschaffen. Dabei wird der Patient gebeten, in einem vorgezeichneten Kreis die fehlenden Ziffern zu ergänzen und die Zeigerstellung für eine bestimmte Uhrzeit einzuzeichnen. Die Abbildung auf der rechten Seite zeigt typische Patientenlösungen.
Die Geschwindigkeit der kognitiven Abnahme und die Lebenserwartung sind beim einzelnen Patienten nur schwer abzuschätzen, auch wenn genau diese Frage oft von den Betroffenen und deren Angehörigen gestellt wird. Studienergebnisse können aber als Anhaltspunkt durchaus herangezogen werden. Danach beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung etwa fünf bis acht Jahre nach Stellung der Diagnose. Im natürlichen Krankheitsverlauf ist in dieser Zeit mit einer jährlichen Verschlechterung von etwa 3,5 Punkten beim MMST zu rechnen. Daneben treten bei Alzheimer-Patienten Unruhe, Depression, Aggressivität und Halluzinationen auf. Es handelt sich oft um so genannte fluktuierende Symptome, die nach einiger Zeit wieder abklingen. Diese „nicht-kognitiven“ Symptome belasten die pflegenden Angehörigen aber oft mehr als die Vergesslichkeit.
Therapie
Zwar spielen Medikamente in der Behandlung der Alzheimerdemenz eine wichtige Rolle, um den geistigen Verfall zu verlangsamen und häufig auftretende Verhaltensstörungen zu korrigieren. Aber auch nicht-medikamentöse Strategien, wie die geistige und körperliche Aktivierung gehören unbedingt zum Behandlungsprogramm. Die Therapie der Alzheimerdemenz ist keine einmalige Intervention, sondern ein kontinuierliches Bemühen, dem Kranken und seiner unmittelbaren Umgebung die größtmögliche Unterstützung zukommen zu lassen.
Beispiele für Patientenlösungen beim Uhrentest.
Solche Tests geben Auskunft über den Schweregrad
einer Demenzerkrankung.
Umgang mit Patienten
Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass die Patienten Beschwerden wegen Sprachschwierigkeiten und einem veränderten Schmerzempfinden oft nicht mehr adäquat äußern können. Dazu kommt, dass die Patienten Ihnen aufgrund ihres reduzierten Denkvermögens oft nicht mehr folgen können. Nehmen Sie es einem Patienten also bloß nicht übel, wenn er einen vereinbarten Termin verpasst oder sich nicht mehr an Ihren Namen erinnern kann, obwohl er Sie regelmäßig sieht.
Auf die reduzierte geistige Leistungsfähigkeit reagieren Sie am besten mit besonders viel Einfühlungsvermögen. Sorgen Sie soweit es geht beim Gespräch für ein ruhiges Umfeld (kein Radio, kein Telefon) und sprechen Sie in klaren, kurzen Sätzen. Wiederholen Sie wenn nötig das Gesagte, ohne den Patienten zu kritisieren oder zu korrigieren. Versuchen Sie, in seinem Gesichtsausdruck und seiner Gestik zu lesen. Der Patient spürt seine Defizite oft selbst und reagiert auf „Zuspruch“ durchaus positiv.
Umgang mit Angehörigen
Wichtig für die Angehörigen ist es vor allem, sich über die eigenen Kräfte und Grenzen bewusst zu werden und sie zu akzeptieren: Die Pflege von Betroffenen ist eine körperlich sowie seelisch sehr erschöpfende Tätigkeit, die schnell überfordern kann. Um das zu vermeiden, ist es für pflegende Angehörige ganz wichtig, sich einen gewissen Freiraum zu bewahren. Um nicht selbst sozial isoliert zu werden, sollten sie oft unter Leute gehen und auch regelmäßig Urlaub machen. Wenn sich für diese Zeit kein anderer Familienangehöriger findet, um den Patienten zu betreuen, muss nach anderen Lösungen gesucht werden. Hier sind Sie als Praxisteam gefragt. Reden Sie den Angehörigen Mut zu, sich einen eigenen Freiraum zu erhalten. Und helfen Sie ihnen bei der Suche nach Einrichtungen, die unterstützen. Dazu gehören zum Beispiel Tagespflegestätten, ambulante Pflegedienste und die Kurzzeitpflege im Heim.
WEBTIPP
Wollen Sie mehr wissen zu diesem wichtigen Thema? Weiter führende Informationen finden Sie unter www.projekt-ida.de
Die Initiative „Demenzversorgung in der Allgemeinmedizin“
veranstaltet Workshops zum Thema. Eine der Referentinnen
ist die geronto-psychiatrische Pflegefachkraft Christiane Schuh.
Nachgefragt...
Wie viele Teilnehmer hat ein solcher Workshop?
Die Anzahl der Teilnehmenden sollte höchstens bei 15 Personen liegen. Um sich dem Krankheitsbild Demenz zu nähern, sind Informationen und Gespräche wichtig, die jeden zu Wort kommen lassen.
Von welchen Problemen berichten Praxisteams?
Die meisten Probleme stehen im Zusammenhang mit fehlenden Informationen zu den Veränderungen im Krankheitsverlauf. Der MMST beispielsweise erfordert von der Arzthelferin viel Fingerspitzengefühl, um den Erkrankten hier zu begleiten. Das größte Problem ist für alle Beteiligten der Zeitmangel, mit dem man Menschen begegnen muss.
Was empfehlen Sie für den täglichen Umgang?
Es gibt kein „kurzes Rezept“. Um Menschen im täglichen Miteinander begleiten zu können, braucht es eine gründliche Auseinandersetzung mit ihnen und den Veränderungen, die sie durchlaufen. Das ist der Grund, warum wir uns in Workshops Zeit zum Hören, Sehen, Nachdenken nehmen; für mich persönlich ist es der Grund, über meine Erfahrungen zu berichten. Auch für die Angehörigen können geleitete Gruppen zur Information und zum Erfahrungsaustausch sehr hilfreich sein.