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Erfolgreiches Beschwerdemanagement

Reden wir darüber

Hartnäckig hält sich das Gerücht, in guten Praxen gäbe es keine Beschwerden. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn Patienten etwas verbessern wollen, reklamieren sie – andernfalls kommen sie einfach nie wieder. Erfolgreiches Beschwerdemanagement heißt deshalb immer, über Probleme auch zu reden.

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Eine Beschwerde ist, so die Definition, ein Ausdruck der Unzufriedenheit – unabhängig von der sachlichen Richtigkeit. So steht es in den Qualitätsmanagement-Handbüchern landauf landab und weiter: „Als gewichtiger Fall für das Qualitätsmanagement einer Praxis sollte eine Beschwerde unbedingt nach vereinbarten Regeln behandelt werden. Und da der Fahrplan für das Qualitätsmanagement in der Hausarztpraxis sich mittlerweile in der Umsetzungsphase befindet, kommt schon mittelfristig keine Vertragsarztpraxis um dieses Thema herum.

Dabei ist es schon verwunderlich, dass es überhaupt einer solchen „Institutionalisierung“ bedarf. Dass man Einwände von Patienten grundsätzlich ernst nehmen sollte, beschreibt ein Beispiel, das jüngst in der „Ärzte-Zeitung“ veröffentlicht wurde. Dort hatte sich ein Patient über eine Rechnung beschwert. Statt nach den Hintergründen zu fragen, verbat sich der Arzt jede Diskussion über die beanstandete Rechnung. Und dann passierte, was passieren musste: Der Patient beschwerte sich bei seiner Krankenversicherung und am Ende interessierte sich sogar die Staatsanwaltschaft für den Fall. Ob zu Recht oder Unrecht,ist nicht überliefert. Klar ist aber, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt. Die Zahl der Patienten, die sich wegen befürchteter Behandlungs- oder Abrechnungsfehler bei den Krankenkassen melden, geht jährlich in die Tausende.

Daraus lässt sich eine einfache Botschaft ableiten: Nicht die Tatsache ist entscheidend, ob ein Patient sich in der Praxis beschwert – wichtig ist, wie Arzt und Praxisteam mit der Beschwerde umgehen. Denn der Idealfall, dass es nämlich nie einen Grund für eine Beschwerde gibt, ist im realen Praxisleben nicht zu erreichen. Eine patientenorientierte Praxis wird daher versuchen, auch im Fall einer vermeintlichen oder tatsächlichen Panne für den Patienten da zu sein – und ihm Service im besten Sinn zu bieten. Auch wenn es unangenehm ist, sollten Sie sich klarmachen: 80 % aller Beschwerden haben einen berechtigten Anlass. Und indem Sie Reklamationen ernst nehmen, können Sie jeden Tag ein bisschen besser werden. Das funktioniert nicht nur in der Werbung.


Praxischeck Beschwerdeursachen

Fast immer sind es die gleichen Ursachen, die zu Verstimmungen und zu Beschwerden führen. Überprüfen Sie Ihre Praxis deshalb auf mögliche Anlässe, bevor die Patienten sich darüber beschweren. Sprechen Sie mögliche Anlässe ruhig bei der nächsten Teambesprechung an. Die zehn häufigsten Gründe für Beschwerden sind:

  Könnte auf unsere Praxis
  zutreffen nicht zutreffen
Keinen Termin erhalten    
Zu lange im Wartezimmer    
Zu eng im Wartezimmer    
Zu laut im Wartezimmer    
Praxis zu chaotisch    
Zu wenig Zeit beim Arzt    
Zu wenig Aufmerksamkeit des Arztes    
Zu wenig Aufmerksamkeit des Praxisteams    
Erwartete Therapie verweigert    
Mangelnde Sauberkeit / Hygiene    

Ärztin
Die Stimmung abhören: Zum Servicecharakter einer Praxis gehört es, sich in Patienten hinein zu versetzen.

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Trotzdem werden Sie sich irgendwann auch wieder einem verärgerten Patienten gegenüber sehen. Dann ist es wichtig, sich professionell um die Beschwerde zu kümmern. Die Regeln dazu müssen innerhalb des Teams klar definiert sein – ist das nicht der Fall, sollten Sie Ihren Chef oder Ihre Chefin bei nächster Gelegenheit darauf ansprechen. Folgendes Vorgehen hat sich in der Praxis bewährt:

Sorgen Sie für Diskretion

Beschwerden von Patienten werden nie an der Rezeption oder im Wartezimmer rezeption besprochen, wo andere Patienten zuhören können. Wenn ein Patient Sie anspricht, müssen Sie für Diskretion sorgen. Nehmen Sie sich die nötige Zeit und suchen Sie einen Raum, wo Sie unter vier Augen reden können.

Hören Sie aktiv zu

Aktiv zuhören heißt: Den Patienten ausreden lassen, ihn dabei ansehen und ihm durch Mimik und Gestik zu verstehen geben, dass Sie seine Beschwerde ernst nehmen. Unterbrechungen, Widerspruch oder Rechtfertigungen sind in dieser Phase nicht hilfreich. Fragen Sie aber nach, wenn Sie etwas nicht verstanden haben.

Dokumentieren Sie den Anlass

Kurze Notizen über Tag, Zeit und Anlass des Gesprächs zeigen dem Patienten, dass es Ihnen ernst ist. Andererseits helfen diese Aufzeichnungen dem Arzt und dem ganzen Team, die Gründe für Beschwerden zu identifizieren und gegebenenfalls gegenzusteuern.

Gewichten Sie die Beschwerde

Jetzt müssen Sie entscheiden: Können Sie das Problem selbst klären oder müssen Sie Ihren Chef mit einbeziehen? Vor allem über diesen Punkt muss Einigkeit im Team herrschen: Jedes Teammitglied muss wissen, welche Anlässe Chefsache sind. In diesem Fall sollten Sie den Patienten entsprechend informieren: „Ich darf Sie bitten, hier noch einen Moment zu warten. Doktor Mayer wird das gleich mit Ihnen besprechen.“

Unterbreiten Sie eine Lösung

Ist das Problem ohne den Arzt zu lösen, unterbreiten Sie jetzt Ihren Vorschlag. Fragen Sie den Patienten, ob er damit einverstanden ist und bieten Sie, wenn nötig, eine Alternative an. Ist eine direkte Lösung nicht möglich, sollten Sie einen nächsten Schritt vereinbaren: „Ich muss das zunächst besprechen, kann ich Sie heute Nachmittag anrufen?“

Finden Sie einen positiven Abschluss

Es ist guter Stil, sich bei einem Patienten für die offenen Worte zu bedanken. Achten Sie darauf, dass er die Praxis möglichst mit einem positiven Gefühl verlässt – es gibt keine bessere Art der „Kundenbindung“.

Eine gute Möglichkeit, die Meinung von Patienten schon im Vorfeld einer Beschwerde zu erfahren, und nicht erst, wenn das Kind im Brunnen liegt, sind Patientenbefragungen oder ein Kummerkasten. Damit geben Sie Ihren Patienten die Möglichkeit, rechtzeitig auf etwaige Probleme hinzuweisen.