Besser formulieren im Praxisalltag
Halbvoll statt halbleer
Eine indische Geschichte beschreibt zwei Hunde, die nacheinander den Tempel der tausend Spiegel betreten. Der erste bekommt Angst vor den vielen Hunden, die er dort sieht, zieht den Schwanz ein und knurrt und flüchtet schließlich in Panik vor den vielen Hunden, die knurrend in diesem Tempel lauern. Der andere freut sich beim Anblick der vielen Hunde im Spiegel und wedelt mit dem Schwanz - und tausend Spiegel-Hunde freuen sich mit ihm. Er geht im Gefühl, dass die Welt voller freundlicher Hunde ist. Das ist bei Menschen nicht viel anders. Unser Verhalten hat großen Einfluss auf unsere Umgebung, und das wichtigste Kommunikationsmittel das wir haben, ist die Sprache. Deshalb macht es durchaus Sinn, einmal selbstkritisch zu hinterfragen, wie die eigenen Worte wohl beim Gesprächspartner ankommen.
Verständlich und gut formulieren
Und das beginnt mit dem Banalsten: Versteht mein Partner überhaupt, was ich meine? Gerade im medizinischen Bereich sind Fachausdrücke weit verbreitet. Was innerhalb des Teams für eine klare Kommunikation unerlässlich ist, kann bei Gesprächen mit Patienten aber fehl am Platz sein.
Fast genauso wichtig ist es, die Botschaft klar und deutlich zu vermitteln. Das fällt vielen Menschen in der gesprochenen Sprache leichter als beim Schreiben. Hier ist man leider allzu sehr die in „Papierdeutsch“ abgefassten Schreiben von Behörden aller Art gewohnt. Und die klingen selten persönlich und freundlich. Ein Beispiel aus dem Buch von Wolf Schneider „Deutsch für Profis“ (S. 5) kann das verdeutlichen: Welcher Satz über eine Intensivstation ist besser? „Das Eintreten des Todes wird verzögert, aber ins Leben wird dieser Mensch nie zurückkehren“ oder: „Sterben soll er nicht und leben kann er nicht.“
Die Wahl fällt leicht, was eine der wichtigsten Regeln für besseres Formulieren erklärt: Her mit den Verben, denn sie sind bei vergleichbarer Bedeutung fast immer stärker als Substantive. Vor allem gilt das für lebende Wortleichen wie „Inaugenscheinnahme“. Wenn der Arzt sich eine Wunde angeschaut hat, dann sollte das auch so formuliert werden. „Dr. Müller hat die Wunde untersucht und einen Splitter entfernt.“ Schlecht geschriebene Korrespondenz verschenkt Chancen. Das gilt auch in der Medizin und vor allem für die sensible Schnittstelle zum Patienten.
Sprechen fällt uns viel leichter als schreiben. Während wir schon im Alter von weniger als zwei Jahren von alleine sprechen lernen, muss uns das Schreiben erst einmal beigebracht werden. Entsprechend mühevoll bleibt es für viele Menschen ein Leben lang. Der beste Tipp für alle Betroffenen: Schreiben Sie, wie Sie sprechen – auch wenn Ihnen das zunächst schwerfällt. Kurze Sätze sind besser als lange und Hauptsachen gehören in Hauptsätze. Wenn Sie dann noch alle völlig überflüssigen Floskeln (Unter besonderer Berücksichtigung …) oder Füllwörter (glücklicherweise, immerhin, keineswegs …) streichen, sind Sie dem Ziel schon ziemlich nahe. Vielleicht noch nicht perfekt, aber verständlich und authentisch.
Den richtigen Ton treffen
Da Sie im Praxisalltag immer eine Botschaft vermitteln müssen, wollen wir uns das sprachliche Mittel anschauen, den Inhalt einer Botschaft nett zu verpacken: die Diplomatie. Auch wenn die Botschaft schwierig ist, sollte kein unnötiger Ärger entstehen. Und es ist einfacher als Sie denken. Wenn Sie positiv formulieren wollen, streichen Sie erst einmal verneinende Worte und Sätze wie etwa kein, nicht, leider. „Das erledige ich gerne für Sie“, klingt besser als die Floskel „kein Problem“ und wenn etwas „nicht unrealistisch“ ist, ist es „gut möglich“.
Ein positiver, freundlicher Ton transportiert nicht nur in der Geschäftskorrespondenz eine freundliche Einstellung, sondern auch am Telefon und sogar auf dem Anrufbeantworter: „Unsere Praxis ist in der Woche vom 21. bis 27.11 geschlossen“, vermittelt ein unausgesprochenes „Was wollen Sie denn jetzt hier?“ Eine Formulierung wie „Das Praxisteam ist ab Montag, 28.11. wieder für Sie da“, wirkt dagegen freundlich und verbindlich. Und wenn Sie gleich noch verraten, wer in Notfällen weiterhilft, vermitteln Sie: Service ist uns wichtig.
Auch unangenehme Mitteilungen lassen sich besser vermitteln, wenn Sie beim Schreiben ohne „leider müssen wir“ und „zu unserem Bedauern“ auskommen. Der Empfänger wird den unerfreulichen Inhalt ohnehin bedauern – Sie brauchen Ihn nicht noch mit negativen Signalwörtern darauf hinzuweisen. Wenn Sie Mitgefühl ausdrücken wollen: Am Ende das Verständnis auszusprechen, ist oft besser als schon in der Briefeinleitung etwas zu bedauern. Bauen Sie Aufforderungen in positiv formulierte Sätze ein und nutzen Sie die direkte Ansprache.
Floskeln im Praxisalltag und bessere Alternativen
Vor allem in der schriftlichen Kommunikation ist die Botschaft oft hinter Wortungetümen versteckt. Klingen die dann auch noch negativ, wird der Empfänger sicher nicht sofort in Ihrem Sinn handeln. Es macht also immer Sinn, an positiven Formulierungen zu feilen. Auch wenn es manchmal schwerfällt. Die folgenden Beispiele verdeutlichen das.
- Statt „Heute haben wir leider keinen Termin mehr für Sie frei“, besser „Ich kann Ihnen einen Termin morgen Vormittag anbieten. Bitte haben Sie Verständnis, dass alle Termine für heute schon ausgebucht sind“.
- Statt „Ihren Antrag können wir noch nicht weiterleiten. Sie haben die nötigen Unterlagen ja noch nicht abgegeben“, besser „Sobald Sie uns die Unterlagen geschickt haben, werden wir Ihren Antrag sofort weiterleiten“.
- Statt „Sie wissen doch ganz genau, dass Sie jeden Monat zur Kontrolle kommen sollen“, besser „Wir haben vereinbart, dass Sie einmal im Monat zur Kontrolle kommen. Bitte achten Sie darauf, rechtzeitig einen Termin zu vereinbaren“.
Unser Buchtipp
Wenn Ihnen Schreiben oder Reden Spaß macht, sollten Sie dieses Buch lesen: Wolf Schneiders Bestseller „Deutsch für Profis“ ist spannend zu lesen wie ein Krimi und zeigt in unterhaltsamen Beispielen den täglichen Sprachwahnsinn. Das verfehlt seine Wirkung für Ihren Alltag sicher nicht. Goldmann-Verlag, 268 Seiten, illustriert ISBN 978-3442161751, 8 Euro