Das Magazin für Medizinische Fachangestellte

Delegation von Hausbesuchen

Das Vollgas-Modell

Das Curriculum zur nicht-ärztlichen Praxisassistentin regelt seit Anfang des Jahres unter anderem die Fortbildung von MFA für delegierbare Hausbesuche. Wir haben uns umgeschaut, wo das Modell schon richtig Fahrt aufgenommen hat.
© Tetastock, Creative Images– beide fotolia.com, bearbeitet
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MFA dürfen seit April 2009 im Rahmen der Regelversorgung Hausbesuche im Auftrag der Ärzte vornehmen. Das hat der Bewertungsausschuss aus Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und der Krankenkassen festgelegt. Er hat aber auch hohe Hürden für MFA gesetzt, die ärztlich delegierte Leistungen außerhalb der Praxis ausführen wollen oder sollen. Ohne Fortbildung darf keine Helferin zum Hausbesuch.

Bevor wir einen Blick auf die Einsatz- und Fortbildungsmöglichkeiten werfen, noch ein kurzer Exkurs zu den Wurzeln der Diskussion. Die demografische Entwicklung der deutschen Bevölkerung – immer mehr Leute werden immer älter – passt so gar nicht zu der Entwicklung der Zahl an Hausärzten in ländlichen Gebieten. Sie stagniert nämlich oder geht zum Teil sogar zurück. Um hier Abhilfe zu schaffen, gibt es verschiedene Ansätze mit schön klingenden Mädchennamen wie VERAH, AGneS, EVA oder MoNi.

Die Versorgungsassistentin in der hausärztlichen Praxis (VERAH) hat der Hausärzteverband zusammen mit dem Verband medizinischer Fachberufe e.V. entwickelt. Sie soll jedoch nicht vorrangig für Hausbesuche qualifizieren, sondern auch für arzt-entlastende Tätigkeiten in der Praxis, etwa Fallmanagement.

Die arztentlastende, gemeindenahe, ehealth-gestützte systemische Intervention (AgneS) wurde an der Uni Greifswald entwickelt und in mehreren Projekten erprobt. Für MFA sind jedoch erst 800 Stunden Fortbildung zu leisten, die Start-Investitionen sind also relativ hoch. KVen und Ärztekammern aus Nordrhein-Westfalen haben EVA, die Entlastende VersorgungsAssistentin entwickelt und zertifiziert, und in Niedersachsen hat die KV MoNi (Modell Niedersachsen) an den Start geschickt. Was hat das alles zu bedeuten?

Zunächst verspricht man sich von den Umstrukturierungen die Etablierung der Hausarztpraxis als zentralen Ort der Versorgung. Dazu tragen verschiedene Effekte bei und zwar über:

  • Optimierte Patientenversorgung
    Durch den strukturierten Einsatz können etliche Leistungen im Hause des Patienten erbracht werden, die zuvor einen Besuch in der Praxis nötig machten. So wird eine kontinuierlichere Betreuung durch die Hausarztpraxis möglich – proaktives Handeln bevor es möglicherweise zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes kommt.
  • Entlastung des Hausarztes
    Viele Hausbesuche von Ärzten setzen nicht zwingend die Kompetenz eines Hausarztes voraus. Durch die Delegation an eine geschulte, erfahrene MFA werden so Ressourcen frei, die an anderer Stelle effektiver eingesetzt werden können.
  • Erweiterte Kompetenz der MFA
    Die Delegation von neuen Aufgaben durch den Hausarzt kann eine zusätzliche Arbeitsbelastung für das Team sein. Die erweiterte Verantwortung kann aber auch zu einer höheren Wertschätzung seitens der Patienten beitragen.
  • Sicherung der Versorgungsqualität
    Die Qualität der Versorgung steigt. Die zusätzliche Sicht auf Probleme und Patienten eröffnet neue Erkenntnisebenen und entlastet den Arzt. Behandlungsdaten werden strukturiert erfasst und können jederzeit vom Arzt eingesehen werden.

Ein Curriculum der Bundesärztekammer zur nicht-ärztlichen Praxisassistentin (PDF), das explizit der Fortbildung von Helferinnen für delegierbare Hausbesuche dient, soll jetzt für einen einheitlichen Unterbau sorgen. Das Curriculum setzt die Vorgaben der im vergangenen Jahr in Kraft getretenen Vereinbarung um und fördert die MFA als engste Mitarbeiterin des Arztes. An dem Curriculum hat auch der Verband Medizinischer Fachberufe (VMF) mitgewirkt. Die Umsetzung des Curriculums erfolgt in den Länderkammern.

Checkliste MFA-Hausbesuche

Soziale Kompetenzen wie Zuverlässigkeit oder Selbstständigkeit sind unabdingbare Voraussetzungen für die Delegation von Hausbesuchen an MFA. Zusätzliche qualitätssichernde Maßnahmen sind:

  • Standardisierte Schulung der Mitarbeiterinnen
  • Vom Arzt dokumentierte Erfahrung
  • Standardisiertes Hausbesuchsprotokoll
  • Jederzeit erreichbare ärztliche Rücksprachemöglichkeit
  • Möglichkeit des Hausbesuchs durch den Arzt
  • Regelmäßiger Erfahrungsaustausch mit Kolleginnen (z. B. jährliche Qualitätszirkel der Arzthelferinnen einer Region)

Preis und Leistung

Die Ausbildung umfasst je nach Berufserfahrung und Variante 190 bis 240 Stunden. Was dazu alles gehört, lesen Sie im Kasten auf dieser Seite am Beispiel des VERAH-Curriculums. Die Fortbildung gliedert sich in acht Module, die neben den Präsenzphasen beim Fortbilder zusätzlich praktische Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln – so genannte Kompetenzphasen.

Auf diese Stundenzahl können andere absolvierte Fortbildungen angerechnet werden, wenn sie gleichwertig sind. Die Preise variieren je nach Einheit und Anbieter, hier finden Sie eine Liste mit Links zu verschiedenen Anbietern.  Insgesamt müssen MFA oder Praxisinhaber zwischen 1.000 und 1.500 Euro investieren. Nach der Delegationsvereinbarung können MFA danach selbstständig Hausbesuche vornehmen und dabei unter anderem die Sturzprophylaxe übernehmen, Blutdruck- oder Blutzuckerwerte kontrollieren und Wunden versorgen. Bislang ist die Abrechnung von Hausbesuchen durch MFA allerdings nur in ärztlich unterversorgten Gebieten gestattet.

Das könnte sich allerdings bald ändern. Denn es gibt Bestrebungen, die Grenze aufzuweichen und die Delegation grundsätzlich immer zuzulassen. Eine Erweiterung der Delegationsmöglichkeiten ärztlicher und anderer Tätigkeiten zur Entlastung von Ärztinnen und Ärzten hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag angekündigt. KBV und Bundesärztekammer (BÄK) begrüßen das: Die Delegationsmöglichkeiten zu erweitern, ist auch der Wunsch vieler Ärzte, sagte zum Beispiel die stellvertretende Vorsitzende der Bundesärztekammer, Dr. Cornelia Goesmann. Sie hält diese Form der Arbeitsteilung auch flächendeckend für ein Zukunftsmodell: Wir wollen erreichen, dass Hausbesuche von fortgebildeten medizinischen Fachangestellten zukünftig nicht nur in unterversorgten Gebieten vergütet werden.

  Gesamt Präsenzphase Kompetenzphase
1. Case Management 40 Stunden 28 Stunden 12 Stunden
2. Präventionsmanagement 20 Stunden 12 Stunden 8 Stunden
3. Gesundheitsmanagement 20 Stunden 12 Stunden 8 Stunden
4. Technikmanagement 10 Stunden 6 Stunden 4 Stunden
5. Praxismanagement 28 Stunden 22 Stunden 6 Stunden
6. Besuchsmanagement 12 Stunden 4 Stunden 8 Stunden
7. Notfallmanagement 20 Stunden 16 Stunden 4 Stunden
8. Wundmanagement 10 Stunden 6 Stunden 4 Stunden
Gesamt 160 Stunden  
Praktikum 40 Stunden
Gesamtstundenzahl 200 Stunden

Das VERAH Curriculum besteht aus acht Modulen mit insgesamt 200 Stunden.