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Ärztliche Zweitmeinung

Doppelte Botschaft?

Patienten wünschen sich oft eine zweite Meinung, um mehr Sicherheit und Vertrauen in die anstehende Behandlung zu fassen. Bei manchen Indikationen kann das Sinn machen, bei anderen ist es überflüssig.
© kaipity – Fotolia.com
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Für viele Krankheiten gibt es klar beschriebene Therapierichtlinien, die auf der Basis von umfangreichen Studiendaten erstellt wurden. Diese fließen zum Beispiel auch in die Disease Management Programme ein. Die Informationen aus wissenschaftlichen Studien, die einen Sachverhalt erhärten oder widerlegen, stellen die sogenannte Evidenz (Beleg, Beweis) dar. Für die jeweilige Therapie ist dann der zu erwartende Nutzen wesentlich höher als mögliche Risiken. Doch nicht immer ist die Sache so einfach. Es gibt durchaus viele Therapien, die nur bei einem Teil der Patienten helfen und die darüber hinaus noch häufig mit Komplikationen oder Nebenwirkungen einhergehen. Hier gibt es keine evidenzbasierten Richtlinien, sondern nur Empfehlungen, die oft auf den individuellen Erfahrungen des behandelnden Arztes beruhen.

In diesem Fall kann es Sinn machen, dass der Patient sich vor einem schwerwiegenden Eingriff – etwa einer Wirbelsäulenoperation bei chronischen Rückenbeschwerden oder der (Teil-)Entfernung eines Organs bei einer Tumorerkrankung – die Meinung eines zweiten Arztes einholt. Denn manchmal ist der am besten geeignete nächste Therapieschritt nicht eindeutig festzulegen. Das gilt vor allem für die Bereiche Onkologie und Orthopädie, wo Zweitmeinungen durchaus üblich sind.

Die meisten Ärzte haben Verständnis dafür, dass verunsicherte und skeptische Patienten sich durch eine qualifizierte Zweitmeinung absichern wollen – viele empfehlen diesen Schritt sogar nachdrücklich. Oft formulieren Patienten diese Bitte in ihrer Hausarztpraxis. Einen Sinn hat eine ärztliche Zweitmeinung aber nur dann, wenn sie von einem erfahrenen Spezialisten auf dem entsprechenden Gebiet durchgeführt wird. Denn der Behandlungserfolg hängt oft entscheidend davon ab, wie viel Erfahrung die behandelnden Ärzte mit dieser Erkrankung haben. Stimmen beide Meinungen überein, dann hat der Patient ein besseres Gefühl. Gibt es Unterschiede, wird der Spezialist seine Beurteilung mit dem behandelnden Arzt besprechen.

Das Einholen einer Zweitmeinung heißt in den meisten Fällen nicht, dass das diagnostische Verfahren noch einmal von vorne beginnen muss. Der Patient hat gegen Kostenerstattung Anspruch auf Kopien der Behandlungsunterlagen und Untersuchungsergebnisse des Behandlers und in der Regel wird kein Arzt die Herausgabe verweigern. Röntgenbilder sind Eigentum des Arztes, er muss sie aber leihweise herausgeben oder gegen Kostenerstattung digitale Kopien fertigen. Die Kosten einer ärztlichen Zweitmeinung werden bei den erwähnten lebensverändernden Diagnosen in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen getragen. Dazu ist eine entsprechende Überweisung des behandelnden Arztes oder des Hausarztes erforderlich oder die Praxisgebühr wird erneut fällig.

Auch als MFA sollten Sie keine Vorbehalte haben, wenn der Patient eine Zweitmeinung einholen möchte. Vielmehr benötigt der Patient in solchen für ihn kritischen Situationen Unterstützung. Ein Patient, der genau weiß, worauf er sich einlässt, ist eher in der Lage, Therapie und Nachsorge optimal mitzugestalten.

Bringt Zweitmeinung Vorteile?

Mit dieser Frage beschäftigte sich eine Studie der Charité zusammen mit der Deutschen Krebshilfe, die im Frühjahr 2010 veröffentlicht wurde. Dabei haben die Wissenschaftler gezeigt, dass das Einholen einer ärztlichen Zweitmeinung den Therapieverlauf verbessern kann. Für Patienten mit Hodenkrebs wurde dabei jeder diagnostizierte Fall zusätzlich in einem Zweitmeinungszentrum bewertet. Ein Drittel der Patienten bekam dort eine abweichende Empfehlung für die Behandlung und in rund 70 Prozent der Fälle übernahm der behandelnde Arzt diesen neuen Vorschlag. Die neue Behandlung war in fast der Hälfte der Fälle weniger intensiv, was die Lebensqualität der Patienten verbesserte und das Risiko für Komplikationen senkte. Bei einem Viertel der Patienten musste die Therapie verstärkt werden. Die Anpassung erfolgte anhand der aktuellsten Leitlinie, die zunächst noch nicht von allen behandelnden Ärzten umgesetzt worden war.