Das Magazin für Medizinische Fachangestellte

Abwicklung von Unfällen

Das passende Werkzeug

Für die meisten Patienten ist der Hausarzt bei allen gesundheitlichen Fragen die erste Anlaufstelle – auch bei Unfällen. Abseits einer möglichen Ersten Hilfe müssen Arzt und Praxisteam aber darauf achten, dass für Unfälle andere Abrechnungsregeln gelten, vor allem für Arbeitsunfälle. Wir stellen das passende Werkzeug vor.
© Gerhard Seybert fotolia.com
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Unfälle können immer und überall passieren: zuhause und bei der Arbeit, draußen und drinnen, beim Sport oder auf Reisen. Sie können selbst verschuldet sein oder unachtsam von anderen, die Folgen können für den Betroffenen marginal oder dramatisch sein und letztendlich stellt sich sogar bei der Abrechnung die Oder-Frage: Ist die Krankenkasse zuständig oder nicht? Oder anders gefragt: Ist es ein Arbeitsunfall oder nicht?

Arbeitsunfälle

Doch was ist ein Arbeitsunfall? Sie ahnen schon, selbst hier gibt es das bekannte Oder-Phänomen. Definiert ist er so: Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer Tätigkeit aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses oder einer anderen versicherten Tätigkeit erleidet. Doch dann wird es auch konkreter: Der Begriff Arbeitsunfall umfasst innerbetriebliche Arbeitsunfälle (z. B. bei Tätigkeiten in Produktion und Verwaltung), außerbetriebliche Arbeitsunfälle (etwa bei Montagetätigkeiten und auf Dienstwegen) und Wegeunfälle (auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit). Mitversichert sind dabei auch Umwege – aber nur dann, wenn sie nötig sind. Etwa dann, wenn die Kinder vor der Arbeit in den Kindergarten gebracht werden.

Das heißt im Klartext: Wenn ein Arbeitnehmer morgens auf dem Fußweg zur Arbeit auf dem Gehsteig ausrutscht und sich eine Verletzung zuzieht, ist das ein Arbeitsunfall. Und für solche Fälle gibt es besondere Regeln. Auch wenn der Betroffene dann erst mal ganz normal in der Hausarztpraxis vorstellig wird.

Dann stellt sich zunächst wieder eine der berühmten Oder-Fragen: Handelt es sich um einen Beamten im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit oder um einen normalen Arbeitnehmer? Bei Beamten gelten nämlich die jeweils eigenen dienstrechtlichen Vorschriften. Wir schauen uns deshalb den einfacheren Oder-Fall des Arbeitnehmers an. Zu dieser Gruppe gehören außerdem Kindergartenkinder, Schüler und Studenten sowie Selbstständige, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

© Werner Heiber fotolia.com
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Ein Arbeitsunfall sollte beim D-Arzt behandelt werden. Erstversorgung und Weiterversorgung sind auch beim Hausarzt möglich.

Der Hausarzt darf und muss zwar immer erste Hilfe leisten, aber längst nicht alle Arbeitsunfälle fallen in seinen Zuständigkeitsbereich. Der Arbeitsunfall sollte direkt beim so genannten Durchgangsarzt (D-Arzt) behandelt werden. D-Ärzte sind Orthopäden oder Unfallchirurgen mit besonderer Erfahrung in der Behandlung von Unfällen. Die Zulassung und Abrechnung erfolgt nicht wie bei den Hausärzten durch die Kassenärztliche Vereinigung, sondern durch Unfallkassen und Berufsgenossenschaften. In ländlichen Gegenden, wo der nächste D-Arzt oft viele Kilometer entfernt ist, sind gelegentlich H-Ärzte (das H steht für Heilbehandlung) für die Versorgung zuständig. Auch ein Hausarzt kann H-Arzt sein. Er muss fachlich ausgebildet sein und seine Praxis muss über eine entsprechende Ausstattung verfügen. Von den üblichen Formularen können bei Arbeitsunfällen nur drei benutzt werden:

  • die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
  • die Arzneiverordnung
  • die Verordnung einer Krankenbeförderung

Für die Kommunikation mit der Unfallversicherung gibt es die Ärztliche Unfallmeldung (Vordruck F 1050). Spätestens am zweiten Tag nach der ersten Behandlung des Unfallverletzten muss die Ärztliche Unfallmeldung an die Unfallversicherung geschickt werden. Wenn der Arzt den Patienten jedoch zum D-Arzt überweist, braucht die Unfallmeldung nicht ausgefüllt werden. Das sollte er nach der Erstversorgung immer dann tun, wenn

  • die Unfallverletzung über den Unfalltag hinaus zur Arbeitsunfähigkeit führt oder
  • die Behandlungsbedürftigkeit bei bestehender Arbeitsfähigkeit voraussichtlich mehr als eine Woche beträgt oder
  • die Verordnung von Heilmitteln (zum Beispiel physikalische Therapie) erforderlich ist.

Auch bei Überweisung in ein Krankenhaus, zum Augenarzt, HNO-Arzt oder Hautarzt (bei isolierten Augen-, HNO- oder Hautverletzungen) ist keine Unfallmeldung erforderlich. Ist der Hausarzt selbst H-Arzt, füllt er den Bericht entsprechend aus.

Weiterbehandlung

Formular

Die Vergütung der ärztlichen Leistungen erfolgt auf Basis der UV-GOÄ und richtet sich unmittelbar an den zuständigen Unfallversicherungsträger. Deshalb ist es wichtig, dass das Praxisteam die Daten der Unfallpatienten nicht von der Versichertenkarte einliest, sondern am besten gesondert aufnimmt:

  • Name des Patienten
  • Name des Arbeitgebers
  • Adresse Arbeitgeber
  • Name der zuständigen Berufsgenossenschaft (ggf. beim Arbeitgeber erfragen)
  • Unfallzeit und -ort
  • Beginn Arbeitszeit
  • genauer Hergang

80 Prozent der Arbeitsunfälle werden vom D-Arzt wieder in die allgemeine Heilbehandlung zurück überwiesen, sie landen also wieder bei Ihnen in der Praxis. Das sollten Patienten wissen, die Angst haben, zum D-Arzt zu wechseln. Sie können gegenüber dem D-Arzt den Wunsch äußern, vom Hausarzt weiter behandelt zu werden. Nur schwerere Verletzungen müssen aufgrund der geltenden Vorschriften beim D-Arzt bleiben. Auch wichtig: Dauert die Behandlung unerwartet länger als eine Woche, ist eine erneute Vorstellung beim D-Arzt erforderlich.

Haftpflichtunfälle

Der zweite Sonderfall eines Unfalls ist der Haftpflichtunfall. Dabei geht es in der Regel um Verkehrsunfälle oder Unfälle im Zusammenhang mit Tieren, wie Hundebisse oder Reitunfälle. Sie werden grundsätzlich beim Hausarzt versorgt, dort wird gegebenenfalls auch die AU-Bescheinigung ausgestellt.

Bei Unfallfolgen kommt womöglich die Geschäftsstelle der betroffenen Krankenkasse auf die Praxis und den Versicherten zu, indem sie einen Unfallfragebogen verschickt. Wenn es sich nicht um eine Bagatellverletzung handelt, wird der Fall im Regressbereich der Kassen weiter bearbeitet und die Kostenübernahme durch andere Versicherungsträger geprüft.

Berufsgenossenschaften und das D-Arzt-Verfahren

LogoBundesweit sind 3.500 niedergelassene sowie an Krankenhäusern und Kliniken tätige Ärzte als Durchgangsärzte durch die gesetzliche Unfallversicherung zugelassen. Die gewerblichen Berufsgenossenschaften (BG, wie die BG Chemie oder die Verwaltungs BG) sind die Träger dieser gesetzlichen Unfallversicherung für die Unternehmen der Privatwirtschaft und deren Beschäftigte. Daneben gibt es die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften. Sie versichern Arbeitnehmer, freiwillig versicherte Unternehmer, Patienten in stationärer Behandlung und Rehabilitanden und Lernende in berufsbildenden Einrichtungen.


Webtipp

Unter
www.vbg.de/unfallanzeige
gibt es weitere Informationen und eine D-Arzt-Suchmaschine