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DMP – aktuelle Studien und künftige Herausforderungen

Auch für schwarze Schafe

Eine aktuelle Studie unterstreicht noch einmal die Bedeutung der Disease Management Programme für die Versorgung chronisch kranker Menschen. Ziel für die Zukunft sollte es daher sein, auch solche Patienten zu motivieren, die sich derzeit zu wenig mit ihren gesundheitlichen Problemen beschäftigen – die schwarzen Schafe in der DMP-Herde.
© by-studio – fotolia.com
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Die seit 2003 schrittweise für sechs Indikationen eingeführten Disease-Management-Programme (DMPs) der gesetzlichen Krankenkassen sind mit über sechs Millionen Teilnehmern ein fester Bestandteil der Versorgung chronisch kranker Patienten in Deutschland. Seit 2009 gibt es auch eine ganze Reihe von Analysen, die einen Vergleich zwischen DMP-Teilnehmern und Nichtteilnehmern ermöglichen.

Alle Anforderungen erfüllt

Der jüngste Beitrag zu diesem Thema erschien im Dezember 2010 in der renommierten Fachzeitschrift Health Affaires. Die zugrunde liegende Studie von BARMER GEK und dem Institut für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie in Köln belegt eine positive Entwicklung der Versorgungsqualität und -effizienz bei Teilnehmern des DMP Diabetes im Vergleich zu einer Gruppe nicht eingeschriebener Diabetiker. Diese Studie erfüllt alle Anforderungen an ein hochwertiges Studiendesign, wie die Erhebung der Ausgangssituation, eine Nachverfolgung über vier Jahre sowie statistische Verfahren zur Gleichstellung von Interventions- und Kontrollgruppe.

Das Ergebnis konnte gleich doppelt überzeugen: Für die DMP-Gruppe wurde nicht nur eine erheblich geringere Sterblichkeitsrate verzeichnet. Auch traten diabetische Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Nierenversagen oder Amputationen nach vier Jahren seltener auf. Die Gesamtausgaben für Krankenhaus- und Arzneimittelverordnungen haben sich binnen vier Jahren um rund 330 Euro günstiger entwickelt als in der Kontrollgruppe der nicht eingeschriebenen Diabetiker. Zur Erinnerung: In Deutschland gibt es über 6 Millionen Diabetiker vom Typ 2, etwa 60 Prozent davon nehmen an den strukturierten Behandlungsprogrammen teil. Zu ähnlichen Ergebnissen war die ELSID-Studie der AOK gekommen. Hier lag die Sterblichkeitsrate bei den älteren Diabetespatienten deutlich niedriger als bei den Patienten in der Regelversorgung, zudem traten hier weniger Komplikationen auf.

Doch bei allem Schulterklopfen sollte man nicht vergessen, dass es auch innerhalb der DMPs noch erhebliches Verbesserungspotenzial gibt. So gibt es Schätzungen, dass mangelnde Patienten-Compliance der Diabetiker ca. 50 Prozent des Therapieerfolgs gefährden kann. Das Problem: Die langfristig gefährlichen Folgeschäden einer Diabetes-Erkrankung (etwa an Herz, Nieren, Augen und Nerven) sind für die Patienten oft keine akute Bedrohung. Dementsprechend locker gehen deshalb manche Patienten mit den Therapiezielen um, die sie gemeinsam mit ihrem Hausarzt vereinbart haben.

Erhebliches Optimierungspotenzial

© Yuri Arcurs – fotolia.com
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Steter Tropfen höhlt den Stein. Mit viel Geduld und ein bisschen Humor lassen sich viele Patienten zum „Mitmachen“ motivieren.

Hier gibt es also noch erhebliches Optimierungspotenzial. Neben der leitlinienorientierten Behandlung wird es dabei in Zukunft auch um eine noch bessere Patientenorientierung gehen. Ziel muss es sein, nicht nur die bereits motivierten Patienten zur Teilnahme zu bewegen, sondern gerade die unmotivierten, die sich derzeit zu wenig mit ihren gesundheitlichen Problemen beschäftigen. Wenn Kassen, Kliniken und Arztpraxen es gemeinsam schaffen, diese Patienten zu sensibilisieren und sich dem Ziel einer Mitarbeit bei der Therapie behutsam und langsam annähern, können viele gefährliche Folgeerkrankungen vermieden werden.

Dem Praxisteam kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Denn der hohe Grad an Strukturierung im DMP kann auch helfen, den Arzt von Routineaufgaben zu entlasten und das Praxisteam in die Betreuung der DMP-Teilnehmer noch mehr einzubeziehen, als das bei anderen Patienten der Fall ist.

Viele Praxen haben zum Beispiel gute Erfahrungen mit sogenannten DMP-Sprechstunden gemacht. Arzt und DMP-Assistentin legen dann gemeinsam den Ablauf der DMP-Sprechstunde fest und vereinbaren Sprachregeln gegenüber den Patienten und Schreibregeln für die Dokumentation: Wie und in welcher Reihenfolge werden die Untersuchungen durchgeführt? Wer teilt dem Patienten welche Befunde mit (z. B. Ihre Füße sind in Ordnung) und wo und wie werden Befunde dokumentiert? Die Erstdokumentation wird vom Arzt durchgeführt, während die Folgedokumentationen mit den damit verbundenen Untersuchungen weitgehend an die DMP-Assistentin delegiert werden können.

Den eigenen Antrieb fördern

Diagramme
Harte Fakten: Bei der DMP-Gruppe traten diabetische Folgeerkrankungen deutlich seltener auf. Und als schöner Nebeneff ekt ist die Kostensteigerung bei DMP-Patienten geringer.

Geht man von der Überlegung aus, dass Menschen eher bereit sind etwas zu tun, wenn sie informiert sind und aus eigenem Antrieb handeln, gibt es zwei Ziele für die Patientenkommunikation in der Sprechstunde und die Patientenschulungen: dem Patienten die richtige Therapieeinstellung zu vermitteln und ihm so eine hohe Lebensqualität zu ermöglichen. Beide Aspekte bedingen sich gegenseitig und dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Folgende Ziele sind wichtig:

  • Die Patienten sollen über ihre Therapie und Möglichkeiten der flexiblen, alltagstauglichen Therapieanpassung informiert sein.
  • Die Patienten sollen ggf. die Fertigkeiten erlernen, Teile der Therapie selbstständig durchzuführen (z. B. Selbstkontrollen, Insulininjektionen).
  • Die Patienten sollten ihre Erkrankung und erforderliche Therapiemaßnahmen annehmen. Dazu gehört auch eine entsprechende Lebensführung, die das Erreichen der Therapieziele unterstützt.

Am Ende einer DMP-Behandlung sollte immer gleich ein Termin für die Folgeuntersuchung vereinbart werden. Um die Zahl versäumter Untersuchungen möglichst klein zu halten, bietet sich ein so genanntes Recall-System an, bei dem die Praxis die Patienten schriftlich oder telefonisch an den fälligen Termin erinnert. Voraussetzung dafür ist eine schriftliche Einverständniserklärung des Patienten.

Studien belegen, dass durch die strukturierte Behandlung auch eine deutliche Steigerung der Effizienz des Praxisablaufs realisierbar ist. Die Besuchsfrequenz der Patienten kann bei gleicher Qualität deutlich gesenkt werden und DMP-Patienten kommen erfahrungsgemäß weniger häufig wegen Kleinigkeiten in die Sprechstunde.

Wenn es Arzt und Praxisteam gelingt, auch zunächst wenig motivierte Patienten zu einer möglichst weitgehenden Selbstbehandlung (Selbstmanagement) anzuregen, kann der nächste Schritt zu einer besseren Versorgung gelingen. Es gibt viel zu tun – packen wir es an.

Schulungen durch MFA?

Oft taucht in Diskussionen die Frage auf, welche Voraussetzungen es für die DMP-Schulungen gibt und unter welchen Umständen medizinische Fachangestellte solche Schulungen durchführen können. Generell gilt: Schulungsprogramme im Rahmen des DMP müssen vom Bundesversicherungsamt (BVA) geprüft und zugelassen werden.

MFA müssen z. B. eine Weiterbildung zur Diabetes-Assistentin DDG absolviert haben, um Patientenschulungen im Rahmen eines Schulungsvereins oder in der Arztpraxis durchführen zu können. Die Weiterbildung umfasst 184 Stunden.

Webtipp

Weitere Informationen zum Thema finden Sie online unter

www.aok-gesundheitspartner.de
und unter
www.barmer-gek.de