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Rückenschmerz

In der Klemme

Rückenschmerz ist eine Volkskrankheit, doch oft finden sich keine organischen Ursachen. Vor allem Fehlhaltungen, Stress und Drucksituationen hinterlassen schmerzhafte Spuren. Spritzen oder Operationen helfen dann nur selten aus der Klemme.

Die meisten Rückenschmerzpatienten bekommt kein Orthopäde zu Gesicht. Wer neu daran leidet, geht in der Regel zum Hausarzt. Der lotet im Gespräch aus, wann die Beschwerden auftreten, wie lange sie bereits andauern und ob bestimmte Bewegungen und Belastungen sie verstärken oder mildern. Er fragt nach beruflichen und sportlichen Aktivitäten, schaut nach Fehlhaltungen und untersucht die Beweglichkeit des Patienten. Schließlich prüft er die Kraft in Armen und Beinen. So kann er erkennen, ob es Hinweise auf Komplikationen gibt, die beim Facharzt weiter untersucht werden müssen. Das ist aber in weniger als zehn Prozent der Fälle nötig.

Wenn wir vom Rücken reden, meinen wir in der Regel die Wirbelsäule – ein doppeltes S aus beweglichen Wirbelkörpern, die von Muskeln und Sehnen ähnlich wie eine Zeltstange von ihren Halteleinen stabil gehalten werden. Und diese Halteseile sollten stets gut gespannt sein. Sind sie dagegen einseitig verzogen, gerät die ganze Konstruktion in Schieflage.

Viele Patienten meinen, dass die Bandscheibe schuld sei, wenn der Rücken schmerzt. Völlig falsch. Bei einem Bandscheibenvorfall tritt Gallertmasse aus dem Kern, die auf die Rückenmarksnerven drücken kann. Die Schmerzen strahlen in Arm oder Bein aus. Echte Bandscheibenvorfälle sind aber nicht häufig. Noch viel seltener sind rheumatische Erkrankungen, Infektionskrankheiten oder poröse Knochen die Ursache. Meist sind es zu schwache Muskeln, verkürzte unelastische Bänder oder Probleme mit den Wirbelgelenken – alles Ursachen von zu wenig oder einseitiger Bewegung.

Erstaunlicherweise liegt es nicht mal am vielen Sitzen. Zwar sitzen wir durchschnittlich fast zwölf Stunden pro Tag – wenn wir uns den Alltag aber so organisieren, dass wir uns zwischendrin bewegen, sind Rückenschmerzen deutlich seltener. Bewegungsarmut macht dem Rücken zu schaffen, nicht das Sitzen. Und das lässt sich abstellen, ein paar Tipps haben wir im folgenden Kasten zusammengestellt – für Sie und für Patienten.


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5 Tipps für den Rücken

  • Alles hoch legen
    Legen Sie Instrumente und Formblätter möglichst hoch ins Regal – so strecken Sie bei jedem Griff den Rücken.
  • Dynamisch sitzen
    Wenn schon sitzen, dann richtig: Dynamisches Sitzen ist Sitzen mit viel Bewegung – d. h. ständig zwischen einer aufrecht-steifen und zurückgelehnt-entspannten Sitzhaltung zu wechseln.
  • Telefonieren im Stehen
    Manche Tätigkeiten lassen sich genau so gut auch stehend erledigen. Ein klassisches Beispiel sind Telefongespräche.
  • Enge Kleidung vermeiden
    Hosen mit engem Bund schnüren ein und als Folge kippt das Becken ab. Das führt zu Schmerzen im Kreuzbereich.
  • Die richtigen Schuhe tragen
    Zu weite, nicht passende Schuhe sind Gift, denn sie geben dem Fuß keinen Halt. Wesentlich besser sind Schnürschuhe mit fester Fußeinbettung, etwa Turnschuhe.

Schonen schadet nur


Quelle: Kochen, Duale Reihe Allgemeinmedizin
Grafik: Katharina Merz

Was löst Rückenschmerzen aus? Bei 90 Prozent der Patienten wird kein klarer Grund gefunden. Der Arzt spricht von unspezifi schen Rückenschmerzen.

Dummerweise schonen viele Patienten ihren Rücken, wenn er schmerzt. Wieder völlig falsch. Was man nicht nutzt, verkümmert – und das gilt besonders für die Muskeln in unserem Rücken. Die meisten unkomplizierten Rückenschmerzen entstehen, weil ein Nerv durch benachbarte, verspannte Muskeln gereizt wird. Die Ursache kann in falschen Bewegungen (einseitige Belastung, Bewegungsmangel, Übergewicht, körperliche Schwerarbeit), aber auch in der Psyche liegen. Stress am Arbeitsplatz, Unzufriedenheit oder Streit mit dem Partner können in den Rücken fahren, weil sich im Körper Spannung aufbaut. Die Muskeln verkrampfen und engen die Nervenbahnen ein – fertig ist der Rückenschmerz. Wichtig ist dann der richtige Umgang mit den akuten Schmerzen. Daneben können vorbeugende Aktivitäten und Maßnahmen dazu beitragen, die Rückenbeschwerden zu minimieren.

In der Medizin werden Rückenschmerzen in eine akute (vom Schmerzbeginn bis etwa zum 30. Tag) und eine chronische Phase (Schmerzen über den 30. Tag hinaus) unterteilt. Die meisten Patienten sind nach einigen Wochen beschwerdefrei – unabhängig von der Behandlung. Nach drei Monaten liegt die Selbstheilungstendenz von Wirbelsäulenbeschwerden sogar bei über 90 Prozent. Allerdings ist auch die Rückfallquote sehr hoch und liegt bei 60 Prozent innerhalb des ersten Jahres. Bei weniger als 10 Prozent aller Rückenschmerzpatienten gibt es deutliche Tendenzen zur Chronifizierung, das bedeutet, die Personen leiden längere Zeit ihres Lebens unter Rückenschmerzen. Diese 10 Prozent machen den größten Teil der enormen Gesamtbehandlungskosten bei Rückenschmerz aus.

Erste Hilfe

Bei akuten Rückenschmerzen hilft oft Wärme – deren muskelentspannende Wirksamkeit konnte auch wissenschaftlich bestätigt werden. Das heißt winddichte, warme Kleidung und Wärme von außen (Badewanne, Sauna, Fango-Packungen, Rotlicht) oder über durchblutungsfördernde Maßnahmen (Rheumasalben oder Wärmepflaster). Aber auch Medikamente können einen wichtigen Einstieg in die Behandlung bieten, vor allem, wenn die Schmerzen sehr stark sind. Sie vermeiden zusätzliche Muskelverspannungen durch eine Schonhaltung. Geeignete Wirkstoffe sind beispielsweise Diclofenac, Ibuprofen oder Paracetamol.

Der wichtigste Ratschlag für Rückenschmerzpatienten: Reduzieren Sie bei akuten Beschwerden Ihre Aktivitäten, aber bleiben Sie nicht im Bett oder auf dem Sofa. Spätestens nach drei Tagen sollten Sie wieder zur Normalität zurückkehren und sich wie gewohnt bewegen. Dann bessern sich in der Regel auch die Rückenprobleme. Sie haben dabei nichts zu befürchten. Der Rücken geht nicht kaputt, bloß weil er weh tut.

Chronische Schmerzen


Quelle: The Lancet Vol. 365, 2005
Grafik: Katharina Merz

Falsch bewegt? Die Belastung der Bandscheiben (angegeben in kg) ist sehr unterschiedlich, aber selbst schweres Heben führt selten zu längerfristigen Problemen.

Selbst bei chronischen Rückenschmerzen, die über sechs Monate andauern, helfen bildgebende Verfahren, wie Röntgen-, CT- oder MRT-Bilder nur selten weiter. Denn das, was man dort an Veränderungen sehen kann, hat oft nichts mit den Schmerzen zu tun. Zur Therapie von chronischen Rückenschmerzen können vor allem folgende Behandlungsmethoden eingesetzt werden:

  • Schmerztherapie in Form von Schmerzmitteln, die über einige Zeit eingenommen werden.
  • Mit Akupunktur sollen nach den Lehren der chinesischen Medizin negative Energieflüsse im Körper und damit Schmerzen unterbunden werden. In geeigneten Fällen kann dieses Behandlungsverfahren eine Option sein. Die Krankenkassen übernehmen dann die Kosten.
  • Krankengymnastik mit passiven Maßnahmen, wie Dehnübungen oder Massagen und aktiven körperlichen Bewegungsübungen. Wichtig ist, dass man die erlernten Übungen auch zu Hause weiterführt und so langfristig den Rückenschmerzen entgegenwirkt.
  • Stressbewältigungsverfahren wie progressive Muskelentspannung. Bei dieser Methode wird Muskel für Muskel erst angespannt und dann wieder gezielt gelöst. Das hilft vielen Menschen, Muskelverspannungen abzubauen.

Operationen sind dagegen nur in Ausnahmefällen nötig – auch wenn manchmal schnell dazu tendiert wird. Patienten sollten deshalb vor einer Rückenschmerz-bedingten Operation auf jeden Fall eine Zweitmeinung einholen. Von 300 Patienten, die im Rahmen eines Modellprojektes diese Option genutzt hatten, wurde nur bei 15 Prozent die ursprüngliche Indikation bestätigt. 85 Prozent blieb also eine unnötige Operation erspart.


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