Das Magazin für Medizinische Fachangestellte

Gute Entscheidungen treffen

Die Qual der Wahl

Jeden Tag müssen wir viele Entscheidungen treffen, kleine und große, einfache und komplizierte. Nachdenken bringt uns nicht immer zum Ziel und unserem Bauchgefühl vertrauen wir auch nur in Grenzen. Wie also kommt man am sichersten zum Ziel? Wir sagen, was es für gute Entscheidungen zu bedenken gibt.
© iQoncept, Oliver Klimek – fotolia.com
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Solange wir geradeaus auf einer Straße fahren, denken wir nicht über den Weg nach. Doch spätestens an der ersten Kreuzung stellt sich die Frage: Weiter geradeaus oder abbiegen? Jeden Tag müssen wir viele Entscheidungen treffen, der renommierte Hirnforscher Ernst Pöppel schätzt ihre Zahl auf etwa 20.000 – pro Tag wohlgemerkt. Die meisten davon treffen wir blitzschnell aufgrund unserer Erfahrung; etwa ob wir morgens aufstehen, wenn der Wecker klingelt oder ihn ignorieren. Ob wir frühstücken, was wir frühstücken, was wir anziehen, unser ganzer Tag ist mit Entscheidungen durchzogen.

Das moderne Leben verlangt von uns zunehmend mehr Entscheidungen in immer kürzerer Zeit. Musste man sich früher nur mit der unmittelbaren Umgebung auseinander setzen, so ist die Welt heute ein Dorf. Egal ob jemand im Raum ist oder tausend Kilometer entfernt: Per Telefon, SMS oder Internet kann er jederzeit Einfluss auf mein Leben nehmen und Entscheidungen von mir verlangen. Alles wird hektischer und unübersichtlicher, trotzdem müssen wir nach Möglichkeit richtig entscheiden. Wie schaffen wir das? Hören wir auf unseren Kopf, auf die Vernunft? Oder auf den Bauch, die Intuition? Beides kann falsch oder richtig sein. Es kommt darauf an, Verstand und Bauchgefühl bei Entscheidungen in Einklang zu bringen.

Der Kopf und der Bauch

Mit Vernunft wird die Fähigkeit unseres Gehirns bezeichnet, die Bedeutung unseres Handelns zu erkennen und uns danach zu richten. Wir sammeln, was immer wir an Informationen bekommen können. Sobald wir genug Informationen haben, bewerten wir sie und entscheiden auf dieser Basis, was wir tun wollen. Typisches Beispiel ist ein Schachspieler, der möglichst viele mögliche Spielzüge voraus berechnet und dann den für ihn vorteilhaftesten spielt. Doch da beginnt das Problem: Wann hat man genug Informationen? Die Suche nach noch mehr Informationen, noch mehr Möglichkeiten kann soviel Zeit kosten, dass man im Entscheidungsprozess überhaupt nicht vorwärts kommt. Dann verlassen wir uns gerne auf den Bauch.

Was wir Bauchgefühl nennen, ist ein sehr altes Bewertungssystem, eine Art Erfahrungsgedächtnis für Gefühle. Es gibt Antworten auf die Frage, was gut für uns ist und was uns liegt. Viele der Dinge, die wir erlebt haben, sind mit Gefühlen verknüpft. Mit guten und schlechten und je stärker die Gefühle waren, desto mehr beeinflussen sie zukünftige Entscheidungen. Fast automatisch, ohne dass wir ständig darüber nachdenken. Diese Verknüpfung zwischen Entscheidungen, die wir getroffen haben und den Gefühlen, die sie ausgelöst haben, wird natürlich auch im Gehirn gespeichert. Da diese gespeicherten Informationen über Botenstoffe im Gehirn und Hormone aber auch unser körperliches Wohlbefinden steuern können, spricht man vom Bauchgefühl.

Um kluge Entscheidungen treffen zu können, brauchen wir beides: Kopf und Bauch. Der Kopf listet wie bei einem Kostenvoranschlag die Leistungen und den Preis, die Vor- und die Nachteile. Der Bauch klopft dagegen die emotionalen Folgen ab: Macht mich diese Entscheidung ruhiger oder nervt sie mich, fühle ich mich sicherer oder bedrohter?

Zwischen Kopf und Bauch zu tarieren kann auch heißen, Ja-/Nein-Entscheidungen zu vermeiden. Soll ich den sicheren Job kündigen und mich endlich als Musiker versuchen? Das Auto verkaufen und nur noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren? Viele der wirklich wichtigen Fragen im Leben erfordern gar keine Ja-/Nein-Entscheidung. Vielleicht kann ich meine Arbeitsstunden reduzieren, um zwei Tage die Woche frei für die Musik zu haben. Und mein Auto verkaufen, mir aber die nötige Mobilität durch ein Car-Sharing-Modell sichern.

Das Ziel ist entscheidend

Sie kennen sicher die Geschichte von Alice im Wunderland unter der Erde. Dort trifft sie einmal einen Hasen und fragt ihn nach dem richtigen Weg. Es kommt darauf an, wo du hin willst, antwortet der Hase und als Alice das nicht weiß, sagt er: Dann ist es ganz einfach. Wenn du das Ziel nicht kennst, ist die Wahl des Weges unwichtig. Die wichtigste Voraussetzung für eine gute Entscheidung ist ein Ziel.

Was Sie beachten sollten, wenn Sie sich Ziele setzen, können Sie in Ausgabe 6/2008 von info praxisteam nachlesen. Ihr Wille, ein einmal gestecktes Ziel zu erreichen, kann eine Menge bewirken, denn er ist eine gute Motivation. Im richtigen Leben ist er oft aber in einem Geflecht von inneren und äußeren Rahmenbedingungen verheddert, die sich gegen Veränderungen sträuben. Die folgende kleine Übung kann Ihnen helfen, damit Sie vor lauter Beziehungsdickicht Ihr eigentliches Ziel nicht aus den Augen verlieren:

Rufen Sie sich eine frühere Entscheidung ins Gedächtnis, die Sie heute als eine wirklich gute ansehen und die Ihnen greifbare Vorteile gebracht hat. Schreiben Sie auf: Was haben Sie damals unter welchen Umständen entschieden? Danach fragen Sie sich: Warum haben Sie sich so entschieden? Was haben Sie damals erwartet? Und schließlich: Welche positiven Auswirkungen hatte diese Entscheidung auf Ihr Leben? Ihre Erwartungen entscheiden letztlich darüber, ob eine Entscheidung gut gewählt war oder nicht und die Erinnerung an gute Entscheidungen macht Ihnen Mut für neue.

Entscheidungen in der Medizin

In der Medizin können falsche Entscheidungen besonders weitreichende Folgen haben. Sie sollten sich deshalb auch nicht ausschließlich auf die Erfahrung des behandelnden Arztes stützen. Um Diagnose und Therapie objektiver und rationaler zu machen, gibt es für viele Krankheiten medizinische Leitlinien, die Ärztinnen und Ärzte bei der Entscheidungsfindung unterstützen. Sie sind der Kopfteil der Entscheidung.

Doch sollten Leitlinien nicht die einzige Entscheidungsgrundlage sein. Auch die individuelle Lebenssituation des Patienten und seine Gefühle sind bei der Therapieentscheidung zu berücksichtigen. Bei diesem Bauchteil ist das Einfühlungsvermögen des Arztes und seines Praxisteams gefragt.

Mit falschen Entscheidungen leben

Es liegt in der Natur der Sache, dass nicht jede Entscheidung, die wir treffen, auch eine richtige ist. Und wenn wir eine Entscheidung im nachhinein als weniger gut erachten, trauern wir oft den verpassten Chancen hinterher und stellen uns vor: Was wäre wenn … ich damals mehr Ehrgeiz in der Schule gehabt hätte? ... ich mich für den anderen Job entschieden hätte? … für den anderen Mann? Die Psychologen nennen das kontrafaktisches Denken (siehe Kasten). Trotzdem ist es wichtig. Denn nur wenn wir uns über selbstverschuldete Fehler ärgern und Entscheidungen in Frage stellen, können wir aus den Fehlern der Vergangenheit für die Zukunft lernen.

Am wichtigsten ist es aber oft, überhaupt zu entscheiden. Denn nur wer entscheidet, behält das Heft des Handelns in der Hand. Viele Situationen sind deshalb negativ, weil wir uns vor Entscheidungen drücken und lieber so weiterwursteln wie bisher. Auch wenn uns das gar nicht gut getan hat. Mit einer klaren Konsequenz: Wir bereuen nicht die Dinge, die wir getan haben – sondern vor allem die Dinge, die wir nicht getan haben. Die psychologische Forschung zeigt, dass das nicht nur ein Sprichwort ist, sondern einen wahren Kern hat. Und sie liefern auch gleich eine Erklärung mit: Für etwas, das wir getan haben, haben wir meistens auch eine vernünftige Begründung. Wenn man vom Rathaus kommt, ist man immer schlauer, sagt der Volksmund und meint: Für das, was wir irgendwann im Leben entschieden haben, hatten wir zu dieser Zeit oft gute Gründe. Auch wenn wir Jahre später vielleicht anders entscheiden würden.

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Reinhard Merz