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Häusliche Pflege – Tipps für Pflegende

Hilfe für die Helfer

Ein Pflegefall kann ganz plötzlich eintreten und Männer wie Frauen, Junge wie Alte treffen. Denn ein Unfall oder eine schwere Erkrankung sind nicht vorhersehbar. Dann ist es wichtig, dass die Angehörigen und die betreuende Praxis wissen, wie sie zu den Leistungen der Pflegeversicherung kommen.
© fotomek – fotolia.com
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Derzeit gibt es nach Angaben der statistischen Ämter des Bundes und der Länder etwa 2,5 Millionen Pflegebedürftige. Für 2020 werden 2,87 Millionen Pflegebedürftige erwartet und für 2050 4,21 Millionen. Schon allein aus diesen Zahlen lässt sich ablesen, welch große Bedeutung die Pflege für unser Gesundheitssystem hat.

Bei Pflegebedürftigen denkt man fast automatisch an Menschen mit hohem Alter. Tatsächlich sind aber nach Angaben der Pflegestatistik rund zehn Prozent der pflegebedürftigen Patienten jünger als 60 Jahre, etwa ein Viertel davon Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre.

Die mit Abstand meisten Pflegebedürftigen werden von der Familie zu Hause gepflegt – oft unterstützt durch einen Pflegedienst und medizinisch betreut von der Hausarztpraxis. Gemeinsam müssen es die Beteiligten schaffen, einen lebbaren Alltag zu Hause zu organisieren. Dabei unterstützt sie die Pflegeversicherung. Doch erstaunlich viele Familien wissen zu wenig über die existierenden Angebote. Mit der Folge, dass sich Pflegende oft regelrecht aufopfern und dabei selbst krank werden, statt sich Hilfe zu organisieren. Zu den Aufgaben einer Hausarztpraxis sollte es daher gehören, die Angehörigen von Pflegebedürftigen regelmäßig über die ihnen zustehenden Leistungen zu informieren.

Das Gesetz unterscheidet bei der häuslichen Pflege zwischen selbst geleisteter Pflege durch Angehörige und einem professionellen Pflegedienst. Beides schließt sich aber nicht aus, sondern ist nach Bedarf kombinierbar. Hier helfen die Pflegeberaterinnen und -berater der Kassen. Sie beantworten auch Fragen, die das Sozialrecht betreffen und unterstützen beim Ausfüllen von Anträgen auf Pflegeleistungen.

Pflegevoraussetzungen

© J. Wicklund – fotolia.com
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Mehr als 67.000 Kinder werden in Deutschland zuhause gepflegt.

Als pflegebedürftig gelten Versicherte, die im Alltag wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit bzw. Behinderung voraussichtlich mindestens sechs Monate lang auf Hilfe angewiesen sind. Die Bedürftigkeit wird durch einen Gutachter festgestellt, der auch mit den Angehörigen darüber spricht, ob sich die Betreuung zu Hause durch Angehörige organisieren lässt, möglicherweise ergänzend oder ausschließlich mithilfe eines ambulanten Pflegedienstes.

Übernehmen Angehörige, Bekannte oder sonstige nicht erwerbsmäßig pflegende Personen die Betreuung, erhält der Pflegebedürftige ein Pflegegeld, das er an den Pflegenden weitergeben kann. Diese Art der Pflege, die von Nichtprofessionellen geleistet wird, gilt als ehrenamtlich. Das Pflegegeld zählt daher nicht als Einkommen und muss nicht versteuert werden. Es wird gestaffelt nach den Pflegestufen (siehe Kasten rechts) ausbezahlt. Für die Höhe der Leistungen ist es wichtig, den Umfang der alltäglichen Pflege – beim Waschen, Essen und bei der Mobilität – zu ermessen. Der Termin der Begutachtung wird mit dem Patienten vereinbart. Die Pflegeperson sollte bei der Begutachtung anwesend sein.

Oft sind Pflegebedüftige und Pflegepersonen dann gestresst, weil ihnen die Begutachtungssituation unangenehm ist. Helfen Sie ihnen ggf. dabei, wichtige Punkte und Fragen für den Gutachter zu formulieren. Sinnvoll ist es auch, wenn im Vorfeld ein Pflegetagebuch darüber geführt wird, bei welchen Verrichtungen geholfen werden muss und wie viel Zeit die Hilfe in Anspruch nimmt. Pflegetagebücher zum Selbstausfüllen stellen die Pflegekassen zur Verfügung. Weisen Sie Pflegende unbedingt darauf hin.

Pflegestufen und mehr

Der Zeitaufwand, den eine ehrenamtliche Pflegeperson für die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung benötigt, muss im Tagesdurchschnitt

  • in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; davon müssen mehr als 45 Minuten auf die Grundpflege entfallen;
  • in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; davon müssen mindestens zwei Stunden auf die Grundpflege entfallen;
  • in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen; davon müssen mindestens vier Stunden auf die Grundpflege entfallen. Außerdem muss der Hilfebedarf rund um die Uhr vorhanden sein – also auch nachts.

Für die Pflege von Kindern gelten spezielle Regelungen. Weil auch gesunde Kinder bis zu einem gewissen Alter Hilfe bei den alltäglichen Dingen brauchen, wird hier der krankheitsbedingte Mehrbedarf berücksichtigt, der über den natürlichen Hilfebedarf eines gesunden Kindes hinausgeht. Dazu zwei Beispiele:

Nina, 2 Jahre alt, wird aufgrund ihrer Erkrankung mehrmals am Tag gewaschen und umgezogen. Auch ein gesundes zweijähriges Kind benötigt Hilfe beim Waschen sowie An- und Auskleiden. In der Pflegeversicherung wird bei Nina deshalb die Zeit berücksichtigt, die über die hygienischen Gewohnheiten bei gesunden Kindern hinausgeht.

Felix, 7 Jahre alt, hat keine Kontrolle über seine Blasen- und Darmfunktion und trägt deshalb Windeln. Gesunde gleichaltrige Kinder können selbstständig den Gang zur Toilette bewältigen. Der Hilfebedarf beim Windelnwechseln und bei der Reinigung des Unterkörpers ist daher krankheitsbedingt und wird in der Pflegeversicherung komplett berücksichtigt.

Unterstützung organisieren

Wird die häusliche Pflege durch Pflegedienste erbracht, geht das Geld der Pflegekasse direkt an den Pflegedienst, nicht an den Pflegebedürftigen (Sachleistung). Die Wahl des Pflegedienstes steht dem Versicherten frei. Wichtig ist nur, dass der Dienst einen Versorgungsvertrag mit der Pflegekasse abgeschlossen hat.

Ist die betreuende Pflegeperson krank oder nimmt sich Urlaub, kann der Pflegebedürftige bis zu vier Wochen im Jahr eine Ersatz- oder Verhinderungspflege erhalten. Während dieser Zeit wird die Hälfte des Pflegegeldes weiterbezahlt. Das erleichtert es dem Pflegenden, eine Auszeit zu nehmen. Allerdings kann eine Pflegevertretung erst beansprucht werden, wenn der Pflegebedürftige zuvor sechs Monate in der häuslichen Umgebung gepflegt worden ist.

Wird die Verhinderungspflege in dieser Zeit durch entfernte Verwandte, Nachbarn oder einen Pflegedienst übernommen, zahlt die Pflegekasse für vier Wochen bis zu 1.550 Euro pro Kalenderjahr. Springt ein naher Familienangehöriger ein oder jemand, der in häuslicher Gemeinschaft mit dem Pflegebedürftigen lebt, wird ein Betrag in Höhe des Pflegegeldes gezahlt und zusätzliche Aufwendungen wie Fahrtkosten oder ein Verdienstausfall auf Nachweis mit bis zu 1.550 Euro pro Jahr erstattet.

Auch die Betreuung in einer Einrichtung der Tages- oder Nachtpflege kann eine gute Lösung sein (teilstationäre Pflege). Die Pflegekasse beteiligt sich in solchen Fällen in der Regel an den Kosten der Pflege und der medizinischen Behandlung sowie an den Transportkosten. Auch eine Kombination von teilstationärer Pflege und Sachleistungen oder Geldleistungen ist möglich. Unter bestimmten Umständen ist auch die vorübergehende Unterbringung in einem Pflegeheim in Betracht zu ziehen (Kurzzeitpflege). Wenn ein Rehabilitationsbedarf des Pflegebedürftigen oder des pflegenden Angehörigen besteht, kann zudem eine Beratung durch die Gemeinsamen Servicestellen der Rehabilitationsträger sinnvoll sein (siehe Webtipp).

Den Pflegenden helfen

Viele Angehörige neigen dazu, Pflegebedürftigen viele Tätigkeiten abzunehmen – aus Ungeduld, Mitleid oder Fürsorglichkeit. Doch jeder überflüssige Handgriff nimmt den Betreuten ein Stück Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein. Dadurch entsteht ein Teufelskreis: Je weniger ein Mensch selbst macht, umso mehr baut er ab. Damit steigt der Pflegeaufwand. Ein Effekt, den sich weder Pflegebedürftige noch Angehörige wünschen. Die Pflegenden sollten deshalb die Fähigkeiten des Pflegebedürftigen fördern (mehr dazu im Kasten rechts). Pflege ist körperlich anstrengend. Heben und Bücken sind an der Tagesordnung, was die Wirbelsäule sehr belasten kann. Pflegende Angehörige sollten daher gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit lernen, wie die häufigsten Pflegehandgriffe rückenschonend erledigt werden. Die Pflegekassen bieten entsprechende Schulungen zu pflegerischen Themen an. Videos und Broschüren sowie weitere Informationen zur Pflege durch Angehörige sind im Internet zu finden (siehe Webtipps).

Und auch die Psyche eines Pflegenden wird von der 24-Stunden-Verantwortung oft stark in Mitleidenschaft gezogen. Kommen dann noch familiäre Konflikte oder Schuldgefühle hinzu, steht der Pflegende selbst auf der Kippe. Empfehlen Sie den Angehörigen in einer solchen Situation, das Gespräch mit Problemlösern zu suchen – sich entweder einer Selbsthilfegruppe anzuschließen oder sich Hilfe in Pflegekursen oder häuslichen Schulungen zu holen (siehe auch www.barmer-gek.de/101071 oder www.aok.de/pflege). Für die praktische Unterstützung gibt es in vielen Orten Betreuungs- und Entlastungsangebote von Kirchengemeinden oder Nachbarschaftshilfen. Versuchen Sie, in Gesprächen die Hemmschwelle vor diesen Angeboten abzubauen. Helfen Sie den Angehörigen zu verstehen, dass für eine dauerhaft gute Pflege zu Hause die Selbstpflege die wichtigste Voraussetzung ist.

Fähigkeiten fördern – 5 Tipps für Betreuer

  1. Den Betreuten ernst nehmen.
    Jede Mithilfe anerkennen. Auch wenn nicht alles perfekt gelingt und viel Zeit benötigt wird.
  2. Aufmerksam bleiben.
    Pflegebedürftige können oft an einem Tag recht viel selbst machen. Am nächsten will dann aber gar nichts klappen. Also immer auf die Tagesform achten.
  3. Gewohnheiten respektieren.
    Darauf eingehen, wie viel und welche Art der Hilfestellung gewünscht ist. Das gemeinsame Vorgehen besprechen.
  4. Frustration vermeiden.
    Unterstützung geben, wenn Überforderung erkennbar ist oder um Hilfe gebeten wird.
  5. Zeit geben.
    Es sollte ein eigener Rhythmus für den Ablauf bestimmt werden. Pausen müssen zugelassen und aktiv eingeplant werden.

Webtipps