Informationen zur Antibiotikaverordnung
Der passende Griff
Antibiotika stehen aktuell in Deutschland mit 40 Millionen Verordnungen pro Jahr auf Platz zwei der am häufigsten verordneten Arzneimittelgruppen. Experten schätzen, dass in Deutschland jährlich insgesamt 2.300 Tonnen antibiotische Wirkstoffe in der ambulanten und stationären Therapie sowie in der Tiermedizin eingesetzt werden. Diese Menge teilt sich auf rund 80 Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen auf.
Dieser intensive Gebrauch wirft zunehmend Probleme auf. Durch die Resistenzbildung bei Bakterien können Antibiotika bei der Therapie bestimmter Infektionen auf einmal versagen. Bekannt sind die Auswirkungen mit den jährlich 1.500 bis 4.500 tödlich endenden Krankenhausinfektionen. Der Gesetzgeber hat mit dem Krankenhaushygienegesetz reagiert, das der Bundestag im Juni 2012 verabschiedete. Es soll helfen, der von resistenten Keimen ausgehenden Gefahr zu begegnen. Das Gesetz sieht vor, Menschen durch eine bessere Einhaltung von Hygieneregeln und eine sachgerechte Verordnung von Antibiotika vor resistenten Keimen zu schützen.
Problematisch ist mitunter vor allem das fehlende Wissen in der Bevölkerung über den richtigen Einsatz von Antibiotika. Nur 15 Prozent der Befragten in Deutschland haben vier Wissensfragen rund um das Thema Antibiotika richtig beantwortet– beispielsweise, ob Antibiotika auch gegen Erkältungen helfen. Dabei ist ein umsichtiger Umgang mit Antibiotika dringend geraten, damit wir auch zukünftig bakterielle Erreger wirkungsvoll bekämpfen können. Und als MFA können Sie einen Beitrag dazu leisten, diese wichtigen Informationen an Ihre Patienten zu kommunizieren.
Das richtige Antibiotikum
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Bei insgesamt kaum veränderter Verordnungsmenge ist der Anteil der Reserve-Wirkstoffe an allen verschriebenen Antibiotika über die Jahre stetig gestiegen. Quelle: GKV-Arzneimittelindex
In den letzten Jahren kommen zunehmend sogenannte Reserveantibiotika
mit modernen Wirkstoffen zum Einsatz, die über ein breiteres
Wirkspektrum verfügen. Standardtherapeutika wie die Basispenicilline
(zum Beispiel Amoxicillin) oder die Tetrazycline (zum Beispiel
Doxycyclin) sollten nur dann durch einen dieser Reservewirkstoffe
ersetzt werden, wenn sie wegen einer Resistenzbildung nicht die
erforderliche Wirkung erzielen können oder wenn Unverträglichkeiten
gegen ein Standardantibiotikum vorliegen. Trotz dieser Erkenntnisse
setzt sich der Trend zu Reserveantibiotika leider fort. Fast jede zweite
Antibiotikaverordnung in Deutschland entfiel im letzten Jahr auf ein
solches Medikament (siehe Abb. Seite 9). Das Nutzen/Risiko-Verhältnis
muss bei der Anwendung dieser Medikamente nicht nur für einen
Krankheitsfall beantwortet werden, sondern auch für alle zukünftigen
Patienten. Denn der falsche Einsatz kann die Resistenzentwicklung
fördern. Untersuchungen zeigen, dass bis zu 50 Prozent der
Antibiotikatherapien unangemessen sind, sei es hinsichtlich des
Wirkstoffs, der Dosierung oder der Therapiedauer.
Erwartungshaltung der Patienten
© GKV-Arzneimittelindex
Da Hausarztpraxen mehr als jede zweite Antibiotikatherapie veranlassen, muss hier auch die Aufklärungsarbeit besonders im Vordergrund stehen. Ein klassisches Beispiel: Mehr als 80 Prozent aller akuten Bronchitiserkrankungen sowie die meisten Rachenentzündungen werden durch Viren verursacht, bei denen die Behandlung mit Antibiotika unwirksam ist. Trotzdem wird oft ein Antibiotikum verordnet, die regionalen Unterschiede sind dabei erstaunlich hoch (siehe Grafik rechts). Dazu tragen nach Einschätzung von Wissenschaftlern Unsicherheit bei der Diagnose sowie die Erwartungshaltung der Patienten bei. Vor allem bei Erkrankungen der Kinder erwarten viele Eltern Wunderdinge.
Häufigster Anlass für eine Verordnung sind auch hier akute Vireninfektionen der oberen Atemwege, gegen die Antibiotika nichts ausrichten können. Auch zur Behandlung von Fieber, Husten oder nichteitrigen Mittelohrentzündungen werden häufig Antibiotika verschrieben – allesamt Erkrankungen, bei denen die Gabe nicht unbedingt angezeigt ist. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) empfiehlt deshalb, bei einer unkomplizierten Mittelohrentzündung zunächst ganz auf Antibiotika zu verzichten und die Krankheitszeichen zu beobachten. Laut DEGAM heilen 80 Prozent der akuten Mittelohrentzündungen auch ohne medikamentöse Therapie in wenigen Tagen.
An die Zukunft denken
Das Ziel einer bedarfsgerechten Therapie kann nur im gemeinsamen Engagement von Ärzten, Kassen und Patienten erreicht werden. Mit Ihrer Aufklärungsarbeit können Sie einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass uns auch in Zukunft noch wirksame Mittel gegen schwere Infektionen wie Lungenentzündung und Tuberkulose zur Verfügung stehen.
Zu diesen Themen sollten Sie Patienten bzw. Eltern informieren
Wenn Patienten die Hintergründe verstehen, sind Therapietreue und Zufriedenheit deutlich besser. Vor allem die folgenden Punkte kann das Praxisteam immer wieder erklären:
Antibiotika bekämpfen nur Bakterien, gegen Viren sind sie machtlos. Da es sich bei Erkältungskrankheiten, Grippe und akuten Mittelohrentzündungen in der Regel um Virusinfekte handelt, können Antibiotika hier nichts ausrichten. Nur selten kommt zu einer Virusinfektion noch eine bakterielle hinzu – erst dann kann ein Antibiotikum sinnvoll sein.
Antibiotika können auch Nebenwirkungen haben. Nur bei der Gefahr eines schwerwiegenden Krankheitsverlaufs sollten Antibiotika gezielt eingenommen werden. Generell gilt bei der Verordnung: So wenig und so gezielt wie möglich.
Antibiotika solange einnehmen, wie es der Arzt verordnet hat. Andernfalls können Erreger überleben, sich erneut ausbreiten und resistent gegen das Antibiotikum werden. Bei einer Fragebogenaktion des WDR gab ein Drittel der Befragten an, dass es ihnen schwer falle, an die regelmäßige Einnahme zu denken. Das ist fatal, denn um alle Bakterien abzutöten, muss der Wirkstoffspiegel im Blut lange genug ausreichend hoch sein, sonst kommt es wieder zur Selektion von resistenten Keimen.
Eine Erkältung kann man am besten mit ein paar Tagen im Bett oder auf dem Sofa und bei Bedarf einem Mittel gegen Kopf- und Gliederschmerzen bekämpfen. Patienten, die sich Zeit lassen, natürlich mit der Erkrankung fertig zu werden, sind dauerhaft gesünder. Auch bei Kindern hilft es häufig schnell, ihnen viel zu trinken zu geben und eventuell zusätzlich ein Schmerzmittel.
Webtipps
- Antibiotikacheck der Bertelsmann-Stiftung
antibiotika.faktencheckgesundheit.de/ - Arzneimittelnavigator der AOK
www.aok.de/arzneimittel