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Individuelle Gesundheitsleistungen

Durchblick beim IGeLn

Individuelle Gesundheitsleistungen – kurz IGeL – sind ärztliche Leistungen, die nicht zum Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören und vom Patienten bezahlt werden müssen. Manche machen durchaus Sinn, andere sind medizinisch umstritten oder können gesundheitsschädlich sein. Wir sagen, wie Sie den Durchblick behalten.
© Pougstorn Anurakchanachai – 123rf.com
© Pougstorn Anurakchanachai – 123rf.com

Grundsätzlich entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), welche Leistungen medizinisch sinnvoll sind und deshalb von den Kassen bezahlt werden. Der G-BA setzt sich aus einer gleichen Anzahl von Krankenkassen-und Ärztevertretern zusammen. Ergänzt wird der Ausschuss um drei unparteiische Mitglieder. An den Beratungen nehmen auch Patientenvertreter teil. Seine Beschlüsse sind im Leistungskatalog zusammengefasst und für alle gesetzlichen Krankenkassen verbindlich.

Leistungen, die in diesem Katalog fehlen, werden als IGeL oder auch als Selbstzahlerleistungen bezeichnet, weil sie vom Patienten privat bezahlt werden müssen. IGeL-Angebote sind zum einen Leistungen wie Atteste oder Reiseimpfungen, die per Gesetz nicht zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenkassen zählen. Die meisten IGeL sind jedoch medizinische Maßnahmen zur Vorsorge, Früherkennung und Therapie von Krankheiten, bei denen nicht belegt ist, dass sie – wie vom Gesetz gefordert – ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Eine verbindliche Liste aller IGeLeistungen gibt es nicht. Ein kritischer Blick auf die einzelnen Angebote ist der beste Weg, Sinnvolles von Sinnlosem zu unterscheiden.

Wenn Ärzte ihre IGeL-Angebote auf medizinisch sinnvolle Leistungen konzentrieren, können Praxis und Patient davon profitieren. Einige Beispiele:

  • Eine reisemedizinische Beratung informiert über gesundheitliche Gefahren am Reiseziel und mögliche Vorsorgemaßnahmen wie Impfungen, Malariaprophylaxe sowie den bewussten Umgang mit Nahrungsmitteln.
  • Die sportmedizinische Untersuchung überprüft, ob Herz, Lunge und Bewegungsapparat den geplanten Belastungen einer sportlichen Aktivität gewachsen sind.
  • Die Akupunktur ist eine therapeutische Methode aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule oder im Kniegelenk ist Akupunktur seit 2007 eine Leistung der GKV, darüber hinausgehende Angebote gehören in den IGeL-Bereich.

Für alle diese Leistungen gibt es gute Gründe, die aber nur für die individuellen Bedürfnisse einer kleinen Patientengruppe relevant sind und daher nicht von der Solidargemeinschaft erstattet werden.

Diagnostische Leistungen

Andere IGeL werden angeboten, ohne dass ein Krankheitsverdacht besteht. Hierzu zählen u.a.:

  • Augeninnendruckmessung (Glaukom-Früherkennung)
  • Ultraschalluntersuchung zur gynäkologischen Krebsfrüherkennung (Gynäkologischer Sono-Check)
  • zusätzliche Ultraschalluntersuchungen während der Schwangerschaft (Baby-TV)
  • Prostatakarzinom-Screening (PSA-Bestimmung)
  • Knochendichtemessung (Osteodensitometrie)

All diese Untersuchungen können in begründeten Verdachtsfällen sinnvoll sein – dann werden sie auch von den Krankenkassen erstattet. Für ihren Nutzen als Screening-Instrument bei Gesunden gibt es aber keine ausreichenden Belege. Ästhetische Operationen wie Facelifting, Lidkorrektur, Fettabsaugung oder das Entfernen von Tätowierungen sind generell von der Erstattung durch die Krankenkasse ausgeschlossen. Eine ausführliche Besprechung aller gängigen Leistungen inklusive der Evidenz für und gegen eine Leistung bietet der IGeL-Monitor des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (siehe Webtipp).

Fragen und Antworten

Wenn die Praxis IGeL anbietet, kommen von Patienten meist die gleichen Fragen:

  • Welchen Nutzen hat die zusätzliche Behandlung?
  • Ist die Methode wissenschaftlich untersucht?
  • Welche Risiken sind mit der Behandlung verbunden?
  • Wie hoch sind die Kosten?

Diese Fragen sollte auch das Praxisteam beantworten können.

Das Beratungsgespräch

Trotzdem ist es immer erforderlich, dass der Arzt den Patienten qualifiziert über das Angebot informiert. Dabei sollten auch weitergehende Fragen besprochen werden, wie:

  • Welche Konsequenzen können sich aus diesem Untersuchungsergebnis ergeben?
  • Gibt es Alternativen? Worin unterscheiden sich die Methoden?

Individuelle Gesundheitsleistungen sind niemals dringend, Patienten sollten also immer genügend Bedenkzeit haben. Der Arzt sollte den Patienten über mögliche Risiken und Nebenwirkungen informieren und sachlich erklären, warum die Krankenkasse die Kosten nicht übernimmt.

Vor Inanspruchnahme einer IGeLeistung müssen Arzt und Patient einen schriftlichen Vertrag schließen. Im Vertrag muss der Arzt seine Leistung genau beschreiben und auch das voraussichtliche Honorar in Euro beziffern. Ohne die schriftliche Einwilligung des Patienten zu der angebotenen Selbstzahlerleistung darf der Arzt sie nicht in Rechnung stellen.

Eine gute Möglichkeit, das IGeL-Angebot der eigenen Praxis zu überprüfen, ist der IGeL-Check von Bundesärztekammer und KBV (siehe Webtipp), dessen wichtigste Punkte wir in dieser Tabelle für Sie zusammengefasst haben:



ja
neutral nein
1. Haben wir der Patientin / dem Patienten erklärt, warum die IGeL notwendig oder empfehlenswert für ein spezielles gesundheitliches Problem ist?
2. Haben wir die Patientin / den Patienten informiert, ob es für den Nutzen der IGeL wissenschaftliche Belege gibt und wie verlässlich diese sind?
3. Haben wir die Patientin / den Patienten verständlich zum Nutzen und möglichen Risiken oder Nebenwirkungen der IGeL beraten?
4. Haben wir sachlich und ohne anpreisende Werbung informiert?
5. Gibt es eine schriftliche Vereinbarung zwischen unserer Patientin / unserem Patienten und mir zu geplanten IGeL und deren voraussichtliche Kosten?
6. Haben wir der Patientin / dem Patienten eine Entscheidungshilfe zu IGeL zur Verfügung gestellt und auf weiterführende Hinweise aufmerksam gemacht (zum Beispiel diese Checkliste)?
7. Haben wir der Patientin / dem Patient das Gefühl vermittelt, sich frei für oder gegen eine vorgeschlagene IGeL entscheiden zu können?
8. Hat unsere Patientin / unser Patient für diese Entscheidung eine angemessene Bedenkzeit?
9. Haben wir den Patienten / die Patientin darüber informiert, dass er / sie eine Zweitmeinung einholen kann?
10. Nach der Behandlung: Haben wir eine nachvollziehbare Rechnung gestellt?
Quelle: Bundesärztekammer / Kassenärztliche Bundesvereinigung



Webtipps