Das Magazin für Medizinische Fachangestellte

Selbstwirksamkeit

Ich kann etwas bewegen

Wer zufrieden und erfolgreich durchs Leben kommen will, braucht nicht einfach nur Glück. Vielmehr sind Eigenschaften wie Selbstachtung, Handlungskompetenz und ein vernünftiger Umgang mit der Zeit gefragt. In der Psychologie wird dafür auch oft der Begriff Selbstwirksamkeit verwendet.
© karlandreasgross – fotolia.com
© karlandreasgross – fotolia.com

Für eine psychologische Studie wurden zwei Brüder befragt, eineiige Zwillinge. Ihr Vater war Alkoholiker, saß die Hälfte seines Lebens im Knast und hatte sich kaum um die Familie gekümmert. Während der eine der beiden Brüder in die Fußstapfen seines Vaters trat und nach einigen Einbrüchen und Schlägereien unter Alkoholeinfluss im Gefängnis landete, war der andere ein erfolgreicher Geschäftsmann und liebevoller Familienvater. Auf die Frage Was hat Sie zu dem gemacht, was Sie heute sind? antworteten beide: Mein Vater, was sonst?

Dieses Beispiel zeigt: Unsere Startbedingungen wie Elternhaus und Schule entscheiden nur zu einem kleinen Teil darüber, was für Menschen wir sind. Auf diesen Teil haben wir keinen oder nur wenig Einfluss. Aber wir haben in der Hand, wie wir damit umgehen und was wir daraus lernen. Wir sind also in erster Linie nicht von bestimmten Umständen geprägt, sondern von unserer Einstellung zu uns selbst und vom Vertrauen in unser eigenes Handeln. Eigenschaften wie Selbstachtung, Handlungskompetenz und ein vernünftiger Umgang mit der Zeit spielen hier eine Rolle.

Diese Selbstwirksamkeit, wie sie von Psychologen oft zusammenfassend genannt wird, hat etwas von der gern zitierten selbsterfüllenden Prophezeiung. Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit erwarten von sich, dass sie unerwartete Situationen und schwierige Probleme lösen können. Und können es dann auch viel besser als Menschen, die von sich glauben, sie können das nicht. Bei gleicher Intelligenz und sonstigen Fähigkeiten, wohlgemerkt. Die Psychologen sprechen deshalb auch gerne von der Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) eines Menschen.

Die Selbstwirksamkeitserwartung ist eine Art Optimismus, Anforderungen und Herausforderungen gewachsen zu sein. Dieser Optimismus hat einen großen Einfluss auf unsere Gefühle, unser Verhalten und unseren Lebenserfolg.

Wenn wir überzeugt sind, Einfluss auf uns und unser Leben zu haben, reagieren wir weniger ängstlich, verlieren seltener die Hoffnung und zeigen ein größeres Durchhaltevermögen. Wir trauen uns mehr zu und erreichen dann auch mehr.

Diagramm
Nach: www.learn-line.nrw.de
Selbstwirksamkeit wird aus vielen Quellen gespeist.

Vorbilder und Training

Selbstwirksamkeit entwickelt sich sehr früh in unserer Kindheit. Die gute Nachricht ist: Sie lässt sich aber lebenslang verändern und trainieren. Unsere Selbstwirksamkeitserwartung kann dadurch gestärkt werden, dass wir erfahren, schwierige Situationen meistern zu können. Darauf baut auch die untenstehende Übung auf (siehe Kasten). Es hilft aber auch, Menschen mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung zu beobachten. Das können Kolleginnen oder Bekannte sein, die auf Herausforderungen optimistisch und anpackend reagieren, aber auch Menschen, die mit Schicksalsschlägen fertig werden mussten und trotzdem ihre optimistische Sichtweise behalten haben.

Wenn Sie mehr an sich selbst glauben, tun das andere auch. Eine höhere Selbstwirksamkeit hilft aber nicht nur, leichter durchs Leben zu gehen, sondern kann auch positiv auf die Gesundheit wirken: Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit leiden zum Beispiel deutlich seltener an einem sog. Burnout. Es lohnt sich also, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Machen Sie einen Online-Test, wenn Sie wissen möchten, wie es um Ihre Selbstwirksamkeitserwartung bestellt ist: http://bit.ly/19X4b7V.

Veränderungen zur richtigen Zeit

Neben dem Selbstbild ist Handlungskompetenz der wichtigste Punkt zur Selbstwirksamkeit. Egal ob es sich um ein privates Vorhaben handelt (mehr Sport treiben und gesünder essen zum Beispiel) oder ein berufliches Projekt (wie endlich eine Fortbildung beginnen): Wenn wir uns etwas vornehmen, müssen wir es auch umsetzen. Unser größter Feind dabei sind weder Faulheit noch Zeitmangel, sondern alte Gewohnheiten. Und die müssen wir ab und an einfach überlisten.

Wie stark solche Gewohnheiten unser Verhalten bestimmen, zeigt ein Experiment von Psychologen der Universität von Südkalifornien: Sie gaben Kinobesuchern eine Tüte Popcorn, das entweder frisch oder schon eine Woche alt war. Alle aßen ihre Portion ohne Meckern auf. Wurde das Popcorn zu einem Video im Konferenzraum angeboten, reklamierten die Testpersonen das alte Zeug sofort als ungenießbar. Die Forscher folgern: Im Kino wird das Popcorn automatisch gegessen, man akzeptiert praktisch alles. Im Konferenzraum ist es eher ungewöhnlich und man ist wesentlich aufmerksamer.

Daraus leiten sie die Empfehlung ab, dass die richtige Umgebung eine ganze Menge zu einer Verhaltensänderung beitragen kann. Ihrer Meinung nach sollte man ein neues Verhalten zuerst unter einfachen Umständen einüben – etwa im Urlaub oder während einer entspannten Lebensphase –, bevor man sich an schwerere Bedingungen heranwagt. Wer gestresst ist, sollte zuerst seinen Stresspegel senken, bevor er die nächsten Schritte plant – z. B. durch progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder autogenes Training.

RM

Selbstwirksamkeit üben

Zu einer besseren Selbstachtung und mehr Handlungskompetenz zu gelangen, ist ein längerer Prozess. Als gute Einstiegsübung gilt die folgende Selbstreflexion:

  1. Erinnern Sie sich an eine erfolgreiche Situation aus der jüngeren Vergangenheit.
  2. Beschreiben Sie in Ihren eigenen Worten die Situation auf einem Blatt Papier. Was genau war der Erfolg?
  3. Überlegen Sie, wodurch die Situation zum Erfolg wurde. Wie hat Ihr konkretes Verhalten zu diesem Erfolg beigetragen.

Sie werden feststellen, dass die Beschäftigung mit dem Erfolgserlebnis ein gutes Gefühl bei Ihnen auslöst. Wiederholen Sie den Prozess mit anderen positiven Erlebnissen und Sie werden feststellen, dass Sie im Lauf der Zeit dadurch mehr Zutrauen zu Ihrem eigenen Handeln entwickeln.