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Adipositas

Gefährlicher Trend

Übergewicht, Adipositas und vor allem krankhaftes Übergewicht sind gefährlich für die Betroffenen, weil sie viele Folgekrankheiten verursachen. In vielen Arztpraxen kommen sie häufig vor. Entscheidend bei der Adipositastherapie sind ein multidisziplinäres Konzept und ein realistisches Therapieziel.
© Gina Sanders – fotolia.com
© Gina Sanders – fotolia.com;

Übergewicht und Adipositas haben sich in den letzten Jahren zu einer Epidemie entwickelt. Die Menschenrechtsorganisation der WHO betrachtet die Häufigkeit der Adipositas gar als ernst und bedrohlich für die gesamte Menschheit. Auch info praxisteam hat dieses Thema bereits in Ausgabe 6/2007 aufgegriffen.

In Deutschland haben 2,6 Millionen Erwachsene eine Adipositas Grad II (Body Mass Index (BMI) zwischen 35 und 39,9 kg / m²) und fast eine Million eine Adipositas Grad III (BMI von >= 40 kg / m²). Die Anzahl an Menschen mit krankhafter Adipositas ist nach Daten des statistischen Bundesamts von 1999 bis 2009 um 73,6 Prozent angestiegen. Als zentraler Risikofaktor für eine Vielzahl metabolischer Störungen und weiterer Erkrankungen verursacht die Adipositas hohe Kosten, die in Deutschland auf 15 bis 20 Milliarden Euro im Jahr geschätzt werden. Die Indikation wurde deshalb für das Jahr 2013 erstmals in die Liste der Krankheiten aufgenommen, die im morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) berücksichtigt werden.

Schon moderates Übergewicht kann zu einer Reihe von körperlichen Beschwerden führen. So kann es zu Kurzatmigkeit, Atemnot und verstärkter Schweißbildung sowie zu Knie-, Hüft- und Kreuzbeschwerden durch Überlastung der Gelenke kommen. Adipositas ist darüber hinaus für eine Vielzahl von weiteren Erkrankungen mit verantwortlich. Dazu zählen Bluthochdruck und Diabetes mellitus. Je größer das Übergewicht, desto höher die Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken. Zudem kann Übergewicht zu Veränderungen im Fettstoffwechsel führen.

Die Kombination von Diabetes mellitus, Bluthochdruck, veränderten Blutfettwerten und Adipositas wird als metabolisches Syndrom bezeichnet. Hier besteht für Patienten die große Gefahr, dass es zu Ablagerungen in den Gefäßen kommt. Die Arteriosklerose betrifft dabei das gesamte Gefäßsystem. Das Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt steigt somit erheblich an. Je nach Dauer und Schwere des Übergewichts kann es außerdem zur Herzvergrößerung mit Herzinsuffizienz (Herzschwäche) kommen. In der Hausarztpraxis sollten adipöse Patienten deshalb auf eventuell schon aufgetretene Folgeerkrankungen untersucht werden.

Kategorie BMI [kg/m²] Risiko für Begleiterkrankungen Häufigkeit in Deutschland
Untergewicht < 18,5 niedrig 1,4 Prozent
Normalgewicht 18,5–24,9 durchschnittlich 40,4 Prozent
Übergewicht 25–29,9 gering erhöht 37,4 Prozent
Adipositas Grad I 30–34,9 erhöht 15,1 Prozent
Adipositas Grad II 35–39,9 hoch 4,1 Prozent
Adipositas Grad III >= 40 sehr hoch 1,5 Prozent

Multimodales Konzept

Die Kombination aus Ernährungs-, Bewegungs-und Verhaltenstherapie wird auch als multimodales Konzept bezeichnet. Am wichtigsten bei der Adipositastherapie ist die Umstellung der Ernährungsgewohnheiten. Eine moderate Gewichtsreduktion von 5 bis 10 Prozent geht bereits mit einer signifikanten Verbesserung der Stoffwechsellage und anderer Körperfunktionen sowie einer besseren Lebensqualität einher. Vorrangiges Ziel jeder Adipositastherapie ist die langfristige Stabilisierung des reduzierten Körpergewichts. Eine erfolgreiche Therapie zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche des Patienten eingegangen wird und die Therapieempfehlungen unter Alltagsbedingungen umsetzbar sind.

Die Bewegungssteigerung ist eine weitere Komponente im multimodalen Therapieansatz zur Gewichtskontrolle. Soweit es der Gesundheitszustand der Patienten mit Adipositas zulässt, ist moderate sportliche Betätigung von mindestens 45 Minuten an mehreren Tagen pro Woche anzustreben.

Bewegung erhöht den Energieverbrauch und trägt dazu bei, dass Fett ab- und Muskeln aufgebaut werden. Die zusätzliche Muskelmasse benötigt noch mehr Energie. Die Art der körperlichen Bewegung ist dabei nicht entscheidend und kann den Fähigkeiten entsprechend ausgewählt werden. Methoden der Lern- und Verhaltenspsychologie können hilfreich sein, um das Essverhalten zu verändern. Ferner bieten regelmäßige Gruppensitzungen den Betroffenen eine gute Möglichkeit zum Informations- und Erfahrungsaustausch und sie wirken sich oft positiv auf die Motivation aus.

Ein erfolgreiches Beispiel ist das Programm M.O.B.I.L.I.S. Die Buchstaben stehen für multizentrisch organisierte bewegungsorientierte Initiative zur Lebensstiländerung in Selbstverantwortung. Das Konzept wird bundesweit in kleinen Gruppen umgesetzt, seine Wirksamkeit ist wissenschaftlich bewiesen. Die BARMER GEK als M.O.B.I.L.I.S. Partner erstattet ihren Versicherten nach regelmäßiger Teilnahme einen Großteil der Gebühren. Auch Versicherten anderer Kassen steht das Programm offen und im konkreten Fall lohnt eine Rückfrage bei der Kasse.

Bei der extremen Adipositas müssen mitunter weitere Möglichkeiten erwogen werden. Sie ist in Deutschland als Krankheit im Sinne des §27 SGB V anerkannt, sodass unter speziellen Voraussetzungen die Kosten für chirurgische Eingriffe (bariatrische Chirurgie) übernommen werden. Die Ergebnisse der bariatrischen Chirurgie hängen entscheidend von der Auswahl der Patienten ab, der Expertise des Chirurgenteams und der Qualität der Nachsorge. Denn auch die chirurgische Therapie kann nicht für sich alleine stehen, sondern muss zwingend in ein multidisziplinäres Therapiekonzept eingebunden sein, das prä- und postoperative Betreuung und Nachsorge gewährleistet.

Chirurgie als Problemfall

Auch bei schwerem Übergewicht muss der Schritt zur Operation gut überlegt sein. Die Veränderungen nach einem Magenbypass oder einer Schlauchmagenoperation sind nach der Gewichtsabnahme nicht mehr rückgängig zu machen. Auch lässt sich der angestrebte Gewichtsverlust durch eine entsprechende Operationen nicht präzise vorhersagen, so dass einige Patienten zu viel Gewicht verlieren und in den Bereich eines kritischen Untergewichtes geraten. Zudem müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein, damit die Kostenübernahme durch die Krankenkasse erfolgen kann. Dazu gehört beispielsweise der Nachweis, dass alle sonstigen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten einer Gewichtsreduktion intensiv wahrgenommen wurden, aber dennoch nicht zum Erfolg führten. Bei der Entscheidung zur Operation muss auch bedacht werden, dass aufgrund des anschließend massiven Gewichtsverlustes häufig Gewebsüberschüsse in verschiedenen Körperregionen entstehen, z. B. eine Fettschürze. Dies führt dann oftmals zu einem erneuten Leidensdruck, da das neue Körperbild als unansehnlich empfunden wird. Die vielen Fragen der Betroffenen lassen sich am besten durch Experten beantworten. Zertifizierte Adipositaszentren in Wohnortnähe findet man unter www.dgav.de.

Diagramm. Quelle: BARMER GEK
Quelle: BARMER GEK
Häufigkeit von Komorbiditäten bei Patienten mit Adipositas in Prozent.

Richtig codieren

Schwere Formen der Adipositas können mit deutlichem Mehraufwand in der Behandlung einhergehen und sollten, wenn sie entsprechend behandlungsrelevant und gesichert sind, immer kodiert werden. Die Adipositas wird an fünfter Stelle nach dem BMI differenziert kodiert.

  • E66.00 Body-Mass-Index [BMI] von 30 bis unter 35
  • E66.01 Body-Mass-Index [BMI] von 35 bis unter 40
  • E66.02 Body-Mass-Index [BMI] von 40 und mehr
  • E66.09 Body-Mass-Index [BMI] nicht näher bezeichnet

Für Patienten unter 18 Jahren kann unabhängig vom BMI nur die E66.09 verschlüsselt werden.


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