Krank angekommen?
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Durch die zwischenzeitlich hohe Zahl an Asylsuchenden sind auch in den Hausarztpraxen Infektionskrankheiten aufgetaucht, die in den Jahrzehnten zuvor entweder ganz verschwunden oder auf Randgruppen beschränkt waren.
Migranten sind grundsätzlich durch die gleichen Infektionskrankheiten gefährdet wie die deutsche Bevölkerung auch. Große Unterschiede bestehen allerdings beim Impfschutz, der oft unvollständig ist oder komplett fehlt. Dazu kommen die Strapazen der Migration und die enge räumliche Situation in den Aufnahmeeinrichtungen. Das zusammen macht Migranten anfälliger gegenüber Infektionen – das ist zunächst aber gefährlicher für die Betroffenen selbst als für Kontaktpersonen. Das Robert Koch-Institut sieht derzeit jedenfalls keine erhöhte Infektionsgefährdung.
Trotzdem ist es wichtig, eine potenzielle Weiterverbreitung durch zeitnahen Therapiebeginn und schnell umgesetzte Infektionsschutzmaßnahmen zu unterbinden. Noch besser ist es, wenn sie sich durch Impfen ganz vermeiden lassen.
Impfstatus überprüfen
Die anfängliche Erstaufnahmeuntersuchung kann natürlich nur eine Momentaufnahme sein. Da Asylsuchende oft aus Landstrichen stammen, in denen nicht flächendeckend geimpft wird, haben viele ein erhöhtes Risiko für die sogenannten impfpräventablen Erkrankungen, z. B. Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Polio, Hepatitis B, Masern, Mumps, Röteln und Influenza. Patienten, deren Impfstatus unvollständig oder unbekannt ist, sollten grundsätzlich nach den Empfehlungen der STIKO geimpft werden. Die üblichen Meldepflichten an das Gesundheitsamt bei bestimmten Infektionskrankheiten sind natürlich auch einzuhalten.
Nicht impfbare Krankheiten
Eine Krankheit, gegen die bei uns nicht geimpft wird, ist Tuberkulose – zum einen, weil es in Deutschland kaum noch Fälle gab, zum anderen wegen aufgetretener Impfkomplikationen. In vielen Herkunftsländern von Asylsuchenden ist Tuberkulose dagegen noch verbreitet und die Belastungen während der Migration erhöhen das Erkrankungsrisiko. Bei länger als zwei bis drei Wochen anhaltendem Husten, vor allem in Kombination mit Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust, sollte immer auch an Tuberkulose gedacht werden. Auch hier sind Fälle an das Gesundheitsamt zu melden.
Magen-Darm-Erkrankungen mit Übelkeit, Erbrechen, Durchfällen und krampfartigen Bauchschmerzen sind bei Neuankömmlingen oft auf fehlende Essenszubereitung und Lebensmittelhygiene bei der Migration zurückzuführen. Meist verlaufen die Erkrankungen selbstlimitierend und mild, können aber auch schwerwiegend sein. Vor allem Kinder sind gefährdet. Manche Verursacher wie Noroviren können sich nach einer ersten lebensmittelbedingten Infektion auch von Mensch zu Mensch verbreiten. Hier sind Hygienemaßnahmen besonders wichtig.
Schließlich kommen in dieser Bevölkerungsgruppe auch Krankheiten wie HIV und Hepatitis B häufiger vor (siehe Kasten). Deshalb ist es im Umgang mit Spritzen, Blutproben etc. besonders wichtig, dass nicht durch unsachgemäßen Umgang eine erhöhte Infektionsgefahr entsteht. In der Ausgabe 3/12 von info praxisteam finden Sie die wichtigsten Hinweise zum Vermeiden von Stichverletzungen.
Tipps aus der Praxis
Dr. Ines Liebold ist Infektiologin und Hausärztin in einer medizinischen Einrichtung in Blankenfelde.
Die Mehrzahl der Infektionen bei Migranten sind grippale Infekte – und die werden behandelt wie bei allen anderen auch. Daneben sehen wir aber auch einige Fälle von Krätze, einer Hauterkrankung, die durch Milben hervorgerufen wird. Bei Migranten aus Zentralafrika ist HIV häufig, oft zusammen mit Tuberkulose. Husten solche Patienten länger als drei Wochen, sollten sie zum Spezialisten überwiesen werden.
Bei Migranten aus den arabischen Ländern kommt HIV kaum vor, dafür ist Hepatitis hier weit verbreitet. Wenn im Rahmen von Blutuntersuchungen erhöhte Leberwerte auffallen, sollte man auf jeden Fall schauen, ob eine chronische Hepatitis B- oder C-Infektion zugrunde liegt.
Webtipp
Informationsseite Asylsuchende und Impfen des RKI mit Fragen und Antworten zum Thema
bit.ly/2a71mXN