Das Magazin für Medizinische Fachangestellte

E13.50

Die richtige Dokumentation

Vier- oder fünfstellig? G oder V? Kreuz-Kode oder Stern-Kode? Die Dokumentation von Behandlungsdiagnosen nach der ICD-10-GM klingt kompliziert – ist sie aber nicht. Wir geben Tipps für den Praxisalltag.

© M. Schmidt

Damit unser Gesundheitswesen bezahlbar bleibt, gibt es für niedergelassene Kassenärzte keine Vergütung einzelner Leistungen, sondern ein Gesamtbudget, das zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Kassen verhandelt wird. Die Verteilung der Honorare, die für jede Praxis lebenswichtig ist, gestaltet sich dabei mitunter komplex. Denn der Gesetzgeber hat außerdem die Entwicklung der ärztlichen Honorare an die Morbiditätsentwicklung geknüpft. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass der tatsächliche Behandlungsaufwand und damit auch der finanzielle Bedarf der jeweiligen Praxen präzise dokumentiert und die Morbidität der Patienten belegt werden.

Tipps und Hinweise zum richtigen Dokumentieren

Und jetzt kommen Sie als MFA ins Spiel: Die Kodierung von Diagnosen kann an Sie delegiert werden, auch wenn der Arzt natürlich verantwortlich bleibt. Die ICD-10-GM – die deutsche Variante (German Modifikation) der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme in der 10. Revision – ist im Sozialgesetzbuch verankert. Nach §295 SGB V sind Diagnosen auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Abrechnungsunterlagen so zu verschlüsseln.

In der Quartalsabrechnung werden alle Diagnosen kodiert, für die Leistungen erbracht wurden – die sogenannten Behandlungsdiagnosen. Dazu zählen auch Beratungen sowie Überweisungen und Verordnungen ohne Arzt-Patienten-Kontakt. In diesen Fällen ist neben der ICD für die jeweils relevante Behandlungsdiagnose zusätzlich die ICD-Schlüsselnummer Z76.0 Ausstellung wiederholter Verordnung zu dokumentieren.

med. BehandlungÜberweisung ArzneimittelverordnungBescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit
Kodierung der Behandlungsdiagnose Diagnose, die die Überweisung begründet Diagnose, die die Arzneimitteltherapie begründet Diagnose, warum eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt
Verordnung von KrankenbeförderungVerordnung von VerbandmittelnVerordnung von KrankenhausbehandlungVerordnung ambulante Palliativversorgung
Diagnose, warum die Krankenbeförderung notwendig ist Diagnose, warum die Verbandmittel benötigt werden Diagnose, warum die Einweisung begründet wird Diagnose, warum die Palliativversorgung erfolgt
Verordnung von HilfsmittelnHeilmittelverordnungVerordnung med. RehabilitationVerordnung häusl. Krankenpflege
Diagnose, warum Hilfsmittel benötigt werden Diagnose, warum das Heilmittel benötigt wird Diagnose, warum die Reha-Maßnahme benötigt wird Diagnose, warum die Pflege erforderlich ist

 

Pro Behandlungsfall wird also mindestens eine Behandlungsdiagnose angegeben. Obgleich die Gesamtanzahl nicht begrenzt und die Reihenfolge beliebig ist, geht es keineswegs darum, möglichst viele Schlüsselnummern anzugeben – vielmehr sollte das kodierte Ergebnis möglichst genau den erbrachten Aufwand abbilden.

Eine Besonderheit bei der Kodierung mit ICD 10 ist das Kreuz-Stern-System. Der Kreuz-Kode (†) verschlüsselt als Primär-Kode die Grunderkrankung – gewissermaßen die Ursache – und der Stern-Kode (*) als Sekundär-Kode die Manifestation. Ein Beispiel: Die mit Kreuz kodierte Grunderkrankung Diabetes mellitus mit Augenkomplikationen (E11.3†) wird durch Sterndiagnosen aufgrund bestimmter Organkomplikationen wie Katarakt (H28.0*) ergänzt. Außerdem gibt es Ausrufezeichen-Kodes (!), die ebenfalls als Sekundär-Kodes Zusatzinformationen zu Primär-Kodes verschlüsseln.

Die sogenannten Kombinations-Schlüsselnummern enthalten mehrere Informationen, z. B. für gemeinsam auftretende Krankheiten, wobei die beiden Teile durch das Wort mit kombiniert werden. Typische Beispiele aus der Hausarztpraxis sind:

  • K80.00 Gallenblasenstein mit akuter Cholezystitis, ohne Angabe einer Gallenwegsobstruktion
  • I70.24 Atherosklerose der Extremitätenarterien, Becken-Bein-Typ, mit Ulzeration
  • J44.03 Chronisch obstruktive Lungenkrankheit, mit akuter Infektion der unteren Atemwege, FEV > 70 %

Alle Behandlungsdiagnosen sollten nach Möglichkeit präzise bis zur jeweils letzten vorgesehenen Stelle kodiert sein. ICD-10-Kodes für Sonstige näher bezeichnete Krankheiten und ICD-10-Kodes für Nicht näher bezeichnete Krankheiten [n.n.bez.] sollten nur im Ausnahmefall kodiert werden – also beispielsweise, wenn die Diagnose neu und die Diagnostik noch nicht abgeschlossen ist. Für die mehrfache Behandlung eines Patienten wegen derselben Krankheit in einem Quartal genügt die einmalige Angabe des zugehörigen ICD-10-Kodes. Wird die Behandlung in einem der folgenden Quartale wieder aufgenommen oder fortgesetzt, dann werden die erbrachten Leistungen und die Diagnose(n) selbstverständlich erneut dokumentiert.

Chronische Erkrankungen verursachen in jedem Quartal einen Behandlungsaufwand, für sie gibt es die Dauerdiagnosen. Dauerdiagnosen, die keine Leistungen nach sich gezogen haben, dürfen jedoch auch nicht übermittelt werden; ein konkretes Beispiel dazu finden Sie im Kasten Chronische Erkrankungen dokumentieren. Die Übernahme von Diagnosen aus einem Quartal in ein nächstes erfolgt nur, wenn diese erneut die Voraussetzungen einer Behandlungsdiagnose erfüllen. Spezifische Schlüsselnummern für Impfungen und prophylaktische Maßnahmen befinden sich im Kapitel XXI der ICD-10. Ein Zusatzkennzeichen gibt Auskunft über die Diagnosesicherheit und wird zusätzlich zum ICD-10-Kode angegeben. Folgende Varianten gibt es:

  • V – Verdachtsdiagnose
  • G – gesicherte Diagnose
  • A – ausgeschlossene Diagnose
  • Z – Zustand nach der Diagnose

Eine Behandlungsdiagnose erhält das Zusatzkennzeichen G in der Regel dann, wenn der Arzt sie sichern konnte. Solange eine Diagnose weder gesichert noch ausgeschlossen werden kann, erhält der Kode das Zusatzkennzeichen V. Wird eine spezifische Therapie durchgeführt, kann V auch dann gegen G ausgetauscht werden, wenn die Diagnose nicht endgültig gesichert ist. Konnte eine Diagnose ausgeschlossen werden, erhält der Kode das Zusatzkennzeichen A. Das Z kommt dann zum Einsatz, wenn die betreffende Diagnose nicht mehr besteht und auch keine krankheitsspezifische Diagnostik oder Therapie mehr erfolgt.

Doppelt verschlüsselt

Aktuelle Krankheiten als Folgezustände einer früheren Krankheit werden auf zwei Arten verschlüsselt: Entweder mit einem Kode, der den aktuellen Krankheitszustand und die verursachende frühere Krankheit enthält (zum Beispiel I69.4 G Folge eines Schlaganfalls, nicht als Blutung oder Infarkt bezeichnet) oder mit zwei ICD-10-Kodes: Einer beschreibt, dass Folgen einer früheren Erkrankung vorliegen, der andere den aktuellen Krankheitszustand. Erst beide zusammen sind vollständig.

Bei manchen Diagnosen wird zur Konkretisierung zusätzlich die Seitenlokalisation angegeben:

  • R für rechts
  • L für links
  • B für beidseitig

Aber bitte beachten: Diese Kennzeichen beziehen sich auf paarige Organe und Körperteile, nicht auf die Lokalisation innerhalb einzelner Organe. Sie sind also auf keinen Fall bei jeder Diagnose anwendbar.

Wenn Befunde oder Untersuchungen erst nach Ablauf eines Quartals eingehen, kann die Diagnosestellung in der Regel bis zum 10. Kalendertag des neuen Quartals noch geändert werden. Diagnosen, die sich im Laufe eines Behandlungsfalles ergeben und sich nach anfänglichem Verdacht gegebenenfalls nicht bestätigen, weil andere Diagnosen gesichert werden können, müssen nicht nachträglich bereinigt werden. Die tatsächliche Diagnose wird dann im nächsten Behandlungsfall korrekt angegeben.

Chronische Erkrankungen dokumentieren

Im Praxisalltag sind Sie oft mit Patienten konfrontiert, die die akute Phase einer schweren chronischen Krankheit erst mal überstanden haben, die aber dennoch nicht als gesund einzustufen sind. Nehmen wir als Beispiel einen Herzinfarkt-Patienten: „Z.n. Infarkt“ wäre zwar nicht falsch, trifft aber nicht die Versorgungsrealität, denn die Patienten bedürfen ja der kontinuierlichen Behandlung, da die Grunderkrankung (hier: KHK) und die erlittene Gewebeschädigung weiterhin bestehen. Der von Ihnen dokumentierte Behandlungsaufwand bezieht sich immer auf die aktuelle Situation – also in unserem Beispiel vielleicht „Chronische ischämische Herzkrankheit“ (I25.0 G) oder „alter Myokardinfarkt“ (I25.22 G) oder auch pectanginöse Beschwerden durch die KHK.

Die jeweilige Behandlungsbedürftigkeit gilt auch ohne aktuelle Beschwerden immer als gegeben, wenn Medikamente gegen chronische Krankheiten verordnet werden – zum Beispiel, um die Beschwerden der KHK und einen erneuten Infarkt zu vermeiden. Das gilt auch dann, wenn ein KHK-Patient mit einem grippalen Infekt in die Praxis kommt und lediglich ASS (aufgrund der KHK) verordnet bekommt – in diesem Fall denken Sie bitte daran, gleichzeitig die der Verordnung zugrundeliegende Erkrankung (KHK) zu dokumentieren. Das schützt die Praxis vor eventuellen Nachfragen. Wenn der Patient dagegen kein Rezept für ein KHK-Medikament erhält und die Behandlung sich ausschließlich auf den Infekt bezieht, dann ist die KHK keine Behandlungsdiagnose und wird nicht kodiert.

Auch bei Krebspatienten, die mit ihrer onkologischen Erkrankung bei anderen Ärzten in Behandlung sind, ist die Krebsdiagnose häufig auch für die übrige Therapie relevant. So sind manchmal Arzneimittelumstellungen oder bestimmte Laborkontrollen erforderlich, die sonst nicht angefallen wären. Die Dokumentation der Krebserkrankung macht den erhöhten Behandlungs- und Beratungsaufwand deutlich.