Das Magazin für Medizinische Fachangestellte

Die Rolle der Angehörigen bei chronischen Erkrankungen

Zu zweit geht’s einfach besser

Chronische Erkrankungen können das Leben eines Menschen grundsätzlich ändern. Die wichtigste Unterstützung kann neben der Hausarztpraxis das familiäre Umfeld leisten. Aber nur dann, wenn die Angehörigen verständnisvoll damit umgehen und wissen, was in Notfällen zu tun ist.
© Mario Hoppmann - stock.adobe.com
© Mario Hoppmann - stock.adobe.com

Niemand ist gerne krank. Und doch müssen sich viele Patienten tagein tagaus mit ihrer chronischen Erkrankung beschäftigen. Unpassende, meist nicht einmal böse gemeinte Kommentare und Ratschläge aus dem Umfeld sind dann das Letzte, was ein Patient braucht. Zu den Belastungen durch die Erkrankung kommt oft noch die Enttäuschung über nachlassende Freizeitaktivitäten und die manchmal damit einhergehende soziale Isolation. Auch Konflikte zwischen den Partnern können für Spannungen sorgen: Es kommt zu Streit, weil der Kranke sich nicht an die Therapieempfehlungen hält oder weil er seine Selbstbestimmung eingeschränkt sieht und den Ehepartner als überbehütend wahrnimmt.

Paare sollten an gemeinsamen Unternehmungen festhalten, solange der Patient Freude daran hat und die Kraft dazu, selbst wenn solche gemeinsamen Unternehmungen vielleicht nur noch mit Einschränkungen möglich sind. Denn wenn pflegende Angehörige aus Rücksicht auf ihre Partner bisherige Hobbys und Interessen aufgeben müssen, tut das der Beziehung langfristig meist nicht gut.

Wichtig ist es, dass die Familie in die Therapie der Erkrankung mit eingebunden wird. Es gibt drei große Themenfelder, in denen sie gut unterstützen kann:

  • Notfälle
  • Lebensstil
  • psychiatrische Fälle

Auf diese Fälle müssen die Angehörigen genauso vorbereitet werden, wie die Patienten selbst.

Notfälle

Bei Asthma- und vor allem bei COPD-Patienten kann es zu Atemnotfällen kommen, die von Patienten und Angehörigen als besonders belastend empfunden werden. Angehörige sollten den Patienten deshalb zu Arztbesuchen und Schulungen begleiten und in den Notfallplan bei Atemnot involviert sein. Wer gut vorbereitet ist, gerät in kritischen Situationen nicht so schnell in Panik. Außerdem können Familienangehörige bei dieser Gelegenheit auch ihre eigenen Fragen stellen und so Ängste abbauen.

Die mögliche Intervention Notfallplan wird im Rahmen der DMP-Untersuchung besprochen. Es handelt sich um einen Selbstmanagementplan, den der behandelnde Arzt für solche Verschlechterungen vorgibt und der idealerweise nicht nur mit dem Patienten besprochen wird, sondern auch mit dem nächsten Angehörigen. So können beide rechtzeitig reagieren und schwere Notfälle vermeiden. Dazu müssen die erforderlichen Medikamente vorrätig sein und Patient und Angehöriger müssen wissen, wie sie korrekt angewendet werden. Außerdem sollten atemerleichternde Stellungen bekannt sein.

Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ist es wichtig, eine Unterzuckerung (Hypoglykämie) zu erkennen. Doch die Anzeichen sind bei jedem Menschen etwas anders, häufige Symptome sind:

  • Gähnen, Konzentrationsmangel
  • Herzrasen, Schweißausbrüche
  • Angst, Blässe, Zittern, Unruhe

Bei fortgesetztem Blutzuckerabfall können weitere Symptome wie Sehstörungen, Sprachstörungen, Verwirrtheit und Kopfschmerzen hinzukommen. Dann sollten die Betroffenen sofort zwei bis drei Stückchen Trauben- oder Würfelzucker zu sich nehmen. Dieses „Notfallmittel“ sollten Diabetiker immer bei sich tragen. Akut gefährlich ist das diabetische Koma mit außergewöhnlich hohen Blutzuckerspiegeln - oft über 600 mg/dl. Da die Nieren den Zucker ausscheiden wollen, verliert der Körper so viel Wasser, dass z. B. die Gehirnzellen ihre normale Funktion nicht mehr ausüben können. In einem solchen Fall muss sofort der Notarzt alarmiert werden.

Typ-2-Diabetiker sind in der Regel aber nicht sehr gefährdet, in extreme Stoffwechselsituationen zu geraten. Trotzdem kann es im Einzelfall zu akuten Störungen kommen, bei denen sehr schnell gehandelt werden muss. Gefährdet sind zum Beispiel Diabetes-Patienten, die mit Insulin oder Sulfonylharnstoffen wie Glibenclamid oder Gliclazid behandelt werden. Ähnliches gilt für Menschen, die zusätzlich an einer Erkrankung wie Harnwegsinfektion oder Lungenentzündung leiden.

Ihre Aufgabe als MFA: den Helfern helfen

Als MFA unterstützen Sie nicht nur den Arzt bei der Vorbereitung und Durchführung der täglichen Praxisaufgaben. Gerade bei chronisch kranken Patienten, wo Sie im Rahmen der DMP ohnehin eine wichtige Rolle bei der Patientenbetreuung spielen, ist auch die Ansprache der Angehörigen ein Thema. Das Verständnis für die häusliche Problematik kann hier schon eine Menge bewirken. Vor allem ist es wichtig zu registrieren, wenn der Partner beginnt, unter der Krankheitslast selbst zu leiden. Sprechen Sie begleitende Angehörige ruhig daraufhin an. Gerade bei älteren Patienten, die mit dem Internet nicht so vertraut sind, können Sie zudem helfen, den Informationsfluss zu organisieren. Dazu gehören Kontakte zu Pflegediensten oder Hilfe beim Vereinbaren von Terminen beim Facharzt. Aber auch Informationsmaterialien, etwa im Rahmen der DMP-Programme, können helfen.

Lebensstil

© benjaminnolte - stock.adobe.com
© benjaminnolte - stock.adobe.com

Manche Krankheiten wie Diabetes vom Typ 2 entstehen oft durch falsche Ernährung und mangelnde Bewegung. Deshalb gehört zu einer guten Therapie auch die richtige Ernährung. Wichtigstes Ziel bei Diabetes Typ 2 ist es, das Körpergewicht nicht weiter ansteigen zu lassen, oder noch besser zu reduzieren. 90 % aller Typ-2-Diabetiker sind übergewichtig und jedes Kilo weniger auf der Waage entlastet die Bauchspeicheldrüse und führt dazu, dass das restliche Insulin besser wirken kann. Befindet sich der Patient bereits in einer Insulintherapie, darf es schon als Erfolg gelten, wenn das Gewicht gehalten wird.

Die Patienten sollten sich angewöhnen, langsam zu essen und alles gut zu kauen. Wer schnell isst, stopft in der Regel zu viel in sich hinein. Denn ein Sättigungsgefühl tritt erst etwa 20 Minuten nach dem Essen ein. Von der Zusammensetzung sollte die Nahrung vielseitig und vollwertig sein. Dieser Vorstellung vom gesunden Essen kommt die Küche der Mittelmeerländer am nächsten: frisches Gemüse wie Tomaten, Auberginen, Paprika, Zucchini, Olivenöl und Oliven sowie viel Fisch und Meeresfrüchte.

Vollkornprodukte oder Gemüse werden vom Körper langsam aufgenommen, der Blutzucker steigt deshalb nur allmählich. Dazu liefern sie dem Körper wichtige Vitamine, Mineralstoffe und auch viele Ballaststoffe. Diese Art der Ernährung ist nicht nur für die Patienten von Vorteil, auch die Angehörigen profitieren langfristig davon. Denn Ernährungsexperten raten generell von Nahrungsmitteln mit viel Fett und Zucker ab.

Wichtig ist es immer auch, genug zu trinken – solange der Arzt nicht zu einer Begrenzung der Flüssigkeitsmenge geraten hat. Am besten geeignet sind Mineralwasser und ungesüßter Früchte- oder Kräutertee, nicht aber Kaffee oder schwarzer Tee. Auf Limonaden und Colagetränke sollten Diabetiker wegen des hohen Zuckergehalts verzichten. Aber auch die oft beworbenen Diätprodukte sind in diesem Zusammenhang nicht zu empfehlen.

Auch bei koronarer Herzkrankheit hat sich die traditionelle Mittelmeerkost bestens bewährt und was für Diabetiker gilt, ist für KHK-Patienten nicht falsch. Bei KHK-Patienten ist zusätzlich auch Salz ein Thema.

Salz kann bei manchen Menschen den Blutdruck in die Höhe treiben und ist somit ein Risikofaktor für einen Herzinfarkt. Patienten sollten daher besser zu frischen Kräutern und Gewürzen greifen. Eine ganz andere Rolle spielt das Körpergewicht oft bei COPD-Patienten, denn manche sind deutlich untergewichtig. Und Untergewicht kann den Verlauf der Erkrankung negativ beeinflussen. Für das Ziel „mehr Gewicht“ brauchen dünne Menschen vor allen eins: Kalorien. Hier ist dann zu überlegen, ob der Patient von einer gezielten Ernährungsberatung profitieren könnte. Durch eine Kontrolle des BMI und anderer Werte kann der Arzt die Ernährung anpassen und erkennen, wann der Patient wieder im „grünen Bereich“ des Normalgewichtes ist.

Wie wichtig ausreichend Bewegung für die Gesundheit ist – auch dann, wenn schon eine chronische Erkrankung wie Diabetes vorliegt –, ist unstrittig. Diabetikerinnen und Diabetiker, die mit sportlicher Aktivität beginnen möchten, sollten zunächst durch den Arzt oder die Ärztin ihre körperliche Fitness abklären lassen. Besonders geeignet sind Ausdauersportarten wie Nordic Walking, Radfahren, Schwimmen, Laufen, Rudern und Skilanglauf sowie ein kontrolliertes Krafttraining. Experten raten zu 30 bis 60 Minuten Training dreimal pro Woche.

Wichtig für das Bewegungsverhalten der Patienten ist es, wie nachdrücklich Arzt und Praxisteam ihnen einen aktiven Lebensstil nahebringen. Als MFA können Sie beim Ausfüllen des Doku-Bogens beiläufig auch auf das Thema Bewegung zu sprechen kommen, etwa wenn Gewicht und der HbA1c-Wert diskutiert werden. Dabei sollten Sie nicht nur auf die vielen Möglichkeiten der Alltagsbewegung hinweisen, sondern durchaus auch auf regionale Angebote – etwa von Sportvereinen und Fitnesscentern.

Es ist darüber hinaus sinnvoll, dass der Patient und sein Partner gemeinsam einen Tagesablauf erarbeiten, in den sich körperliche Aktivität in Form von Sport oder ggf. auch „nur“ Spazierengehen integrieren lässt. So lässt sich der „innere Schweinehund“ besser überwinden und davon profitieren beide Partner in gleicher Weise. Zur Selbstkontrolle und Motivation haben sich Schrittzähler als sehr sinnvoll erwiesen. Wer sich so ein kleines Gerät ansteckt, kann täglich überprüfen, ob er sich ausreichend bewegt – als ideal gelten 10.000 Schritte pro Tag.

Psychiatrische Fälle

Viel Bewegung, wenn möglich im Freien, ist auch ein bewährtes Mittel gegen Depressionen. Von den 6,5 Millionen Menschen in Deutschland, die an Diabetes erkrankt sind, leiden schätzungsweise 800.000 Menschen gleichzeitig an einer behandlungsbedürftigen Depression. Depressionen kommen bei Menschen mit Diabetes damit doppelt so häufig vor wie in der Allgemeinbevölkerung.

Unabhängig von der Begleiterkrankung kann Depression einen Menschen völlig verändern. Lebenslustige Menschen werden auf einmal schwunglos, leiden an Schuldgefühlen, innerer Leere und Hoffnungslosigkeit. In ihrer Hilflosigkeit gegenüber der Depression entwickeln Angehörige oft selbst Schuldgefühle oder gar Ärger über den Erkrankten. Hält die depressive Phase länger an, können sich bei den Angehörigen Überlastung und Erschöpfung einstellen, weil sie eine Vielzahl alltäglicher Aufgaben für den Patienten mit übernehmen müssen.

Der wichtigste Ratschlag für Angehörige von Depressions-Patienten: Akzeptieren Sie die Depression als Erkrankung und ziehen Sie einen Arzt zu Rate. Da depressiv erkrankte Menschen häufig die Schuld für ihr Befinden bei sich selbst suchen und nicht an eine Erkrankung denken, halten sie einen Arztbesuch oft nicht für nötig. Auch fehlt vielen Patienten die Kraft zu einem Arztbesuch, daher ist die Unterstützung der Angehörigen hier so wichtig.

Viele depressiv Erkrankte äußern Klagen und Verzweiflung, oft ziehen sie sich auch von ihrer Umwelt zurück. Angehörige sollten dann Geduld mit dem Betroffenen zeigen und ihn daran erinnern, dass die Depression eine Erkrankung ist, die vorübergeht und sich gut behandeln lässt. Und sie sollten die Ängste nicht abtun, denn depressiv erkrankte Menschen dramatisieren ihr Erleben nicht. Es ist die Depression, die auch leichte Schmerzen oder Missempfindungen ins kaum Erträgliche steigert. Selbsthilfegruppen für Angehörige können für die betroffenen Familienmitglieder eine wichtige Hilfe sein.


MoodGYM ist ein Online-Selbsthilfeprogramm für Menschen mit Depressionen. Das leicht verständliche Trainingsprogramm kann depressive Symptome deutlich verringern.

Ein hilfreiches Instrument gegen Depressionen ist die kognitive Verhaltenstherapie. Dabei lernen Patienten, negative Wahrnehmungen und Gedanken so umzugestalten, dass sie künftig besser mit belastenden Situationen umgehen können. Auf der kognitiven Verhaltenstherapie basiert auch MoodGYM, ein Online-Selbsthilfeprogramm für Menschen mit Depressionen. MoodGYM – übersetzt „Fitness für die Stimmung" – ist ein computergestütztes, interaktives und leicht verständliches Trainingsprogramm, das depressive Symptome deutlich verringern kann. Das haben Studien gezeigt.

Webtipps