Das Magazin für Medizinische Fachangestellte

Ein Blick aus der Sicht des Verbandes medizinischer Fachberufe

Corona und die Rolle der MFA

Nerven wie Drahtseile, blinde Flecken und Systemrelevanz. Drei Begriffe, um die Rolle der MFA in den letzten Wochen und Monaten zu beschreiben. Was aktuell eine riesige Herausforderung für uns alle ist, muss mittelfristig zu neuen Konzepten der Zusammenarbeit führen. Eine erste Analyse.

© Ines Meier, bankerwin - stock.adobe.com

Am 3. März 2020 hat der Verband medizinischer Fachberufe e.V. (VmF) in einem Post auf Facebook allen Medizinischen Fachangestellten für ihre Arbeit gedankt und ihnen Nerven wie Drahtseile gewünscht. Damals ahnten viele noch nicht, wie sich die Lage entwickelt.

Zu diesem Zeitpunkt waren gerade mal 190 Fälle bestätigt. Das Patientenaufkommen in den Praxen war erhöht, erinnert sich Barbara Kronfeldner, Referatsleiterin MFA im Verband medizinischer Fachberufe e.V. Viele - besonders die Risiko- bzw. Hochrisikopatienten - hatten einen großen Beratungsbedarf, wollten über die Ansteckungsgefahr, Symptome, Folgeschäden und Präventionsmöglichkeiten informiert werden. Nerven wie Drahtseile wurden also schon damals gebraucht. Als wir in der Praxis begannen, mit Mundschutz zu arbeiten, wurden wir noch belächelt und als ängstlich dargestellt. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es nicht übertrieben, sondern sehr sinnvoll war.

Wer ist systemrelevant?

Frau mit MNS-Maske
bankerwin – stock.adobe.com
Symbol der Pandemie: die MNS-Maske

Spätestens seit die Kinder aus den Kindergärten und Schulen Mitte März vorzeitig in die Osterferien geschickt wurden, bestimmte Corona den Alltag: Die Notbetreuung der Kinder war den Angehörigen systemrelevanter Berufe vorbehalten. Während aber in Hessen die Medizinischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten explizit als Funktionsträgerberufe eingestuft wurden, waren die Bestimmungen in anderen Bundesländern weniger genau. Zudem galt der Anspruch auf Notbetreuung nur, wenn beide Erziehungsberechtigten einen systemrelevanten Beruf ausübten.

Ab Mitte März liefen in der Rechtsabteilung des VmF die Drähte heiß: Zu den anfangs am häufigsten genannten Fragen (FAQ) gehörten:

  • Besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz nicht (pünktlich) erreichen können, da der öffentliche Nahverkehr nur noch eingeschränkt fährt?
  • Darf die Arbeit verweigert oder gar fristlos gekündigt werden, wenn der Arbeitgeber zur Arbeit auffordert, ohne dass für den Patientenkontakt Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt wird?
  • Gelten Besonderheiten für die Beschäftigten, die in die sogenannte Risikogruppe fallen (also Vorerkrankungen oder chronische Erkrankungen haben)?
  • Darf der Arbeitgeber Überstunden anordnen, wenn mehr Arbeit anfällt? Und wenn ja, wie wird diese Mehrarbeit vergütet?

Ganz neu für MFA waren aber auch die Fragen zum Kurzarbeitergeld: Wer beantragt es? Darf Kurzarbeit angeordnet werden? Darf der Arbeitgeber kündigen, wenn die Zustimmung zur Einführung von Kurzarbeit verweigert wird? Wie hoch ist das Kurzarbeitergeld? Darf der Arbeitgeber Urlaub anordnen? Entstehen Minusstunden, wenn Dienste ausfallen?

Besondere Umstände, besondere Maßnahmen


Corona-Newsroom des VmF: Hier finden MFA u. a. Beratung zu arbeitsrechtlichen Fragen.

Um den großen Beratungsbedarf zu bewältigen, wurden diese FAQ für unsere Mitglieder zusammengefasst und im internen Mitgliederbereich zur Verfügung gestellt. Seither werden sie immer wieder an die vielen Gesetzesänderungen angepasst und aktualisiert. Wer das Berufeabonnement bestellt hat, wird automatisch auf die Änderungen hingewiesen.

Besondere Umstände verlangen aber besondere Maßnahmen. Deshalb wurde, als Zeichen der Solidarität, ein Teil der FAQ allen MFA zugänglich gemacht und für unsere Berufsangehörigen auf der Website www.vmf-online.de ein Corona-Newsroom eingerichtet. Dort kann man nicht nur die Forderungen des Verbandes, sondern auch Fachinformationen aus den Bereichen Human-, Dental-, Veterinärmedizin und Zahntechnik zur Pandemie nachlesen. Gedanken zur Krise sind dort ebenso zu finden wie Tipps zur Kommunikation und zum Arbeitsrecht und Arbeitsschutz.

Während für die Bevölkerung Kontaktverbote und Abstandsgebote eingeführt, Restaurants, viele Geschäfte geschlossen und Versammlungen sowie Gottesdienste verboten wurden, blieb der Gang zum Arzt jederzeit möglich.

Interview

Portrait

Barbara Kronfeldner ist MFA in der Hausarztpraxis von Drs. Jurasic und Faller-Jurasic in Straubing und Referatsleiterin beim Verband medizinischer Fachberufe e.V.

Wie haben Sie die Patientenversorgung zu Beginn des Lockdowns organisiert?

Anfangs war in vielen Praxen die Unsicherheit, ob wir die Termine so beibehalten oder reduzieren sollen. Was ist die richtige Vorgehensweise? Letztendlich mussten wir handeln. Es mussten die Termine auf eine Notfallversorgung unserer Risiko- und Hochrisikopatienten oder der Akuterkrankten reduziert werden, um weitere Ansteckungen zu vermeiden. Das führte aber wiederum zu großem Unverständnis bei den Patienten.

Und wie haben Sie sich selbst geschützt?

Um SARS-CoV-2 infizierte Patienten nicht in den Praxen behandeln zu müssen und damit auch alle anderen Patienten in der Praxis zu schützen, wurden Schwerpunktpraxen etabliert und Corona-Teststrecken. Ebenso wurden in den Praxen Schutzmaßnahmen getroffen, wie Spuckschutz im Empfangsbereich, Mund-Nasenschutz, Schutzbrillen, Schutzvisiere für die Mitarbeiter. Leider war es sehr schwer, diese Schutzausrüstung in ausreichender Menge zu erhalten, sodass wir auch Patienten ohne entsprechende persönliche Schutzausrüstung dafür aber mit der entsprechenden Infektionsgefahr betreuen und behandeln mussten.

Welche organisatorischen Maßnahmen haben Sie getroffen?

Auf dem Boden wurden Markierungen zur Orientierung angebracht, die Stühle im Wartezimmer minimiert, Patienten darauf hingewiesen nur mit einer Begleitperson in die Praxis zu kommen, wenn es unbedingt erforderlich ist (Betreuer, Dolmetscher). Das Telefon war mehr denn je unser Betreuungsmittel Nummer eins.

Portrait
Hannelore König, Verband medizinischer Fachberufe e. V.

MFA sind die ersten Kontaktpersonen für alle Patientinnen und Patienten und dies täglich - ob Pandemie oder nicht.

Für die Regulierung und Anpassung des Arbeitsschutzes war jede Praxis selbst zuständig. Der Verband medizinischer Fachberufe e.V. stellte deshalb am 19. März 2020 in einem offenen Brief an die Arbeitgeber fest: Noch immer sind Wartezimmer … voll, weil nicht zwingend erforderliche Behandlungstermine beibehalten werden, obwohl sie verschoben werden könnten. … Das zeugt weder von Verantwortung der Arbeitgeber/innen gegenüber den Mitarbeiter/innen noch gegenüber der Gesellschaft. Als Arbeitnehmervertretung forderten wir die Verantwortlichen auf, die Praxisabläufe so zu ändern, dass Kontakte auf die wirklich wichtigen Behandlungen beschränkt werden.

Orientierung dringend gesucht

Nur von einzelnen Verbänden und Institutionen gab es zu dieser Zeit Orientierungshilfen. So empfahl der Deutsche Hausärzteverband am 17. März 2020, infizierte Patienten oder Verdachtsfälle primär telefonisch oder per Videosprechstunde zu behandeln und das durch Aushänge unter Angabe der Telefonnummer vor der Praxis, Triage vor der Praxistür, Hinweise auf Websites usw. entsprechend kenntlich zu machen und auch einzuhalten. Alle ambulant behandelbaren Infektions-fälle sollten telefonisch bzw. anderweitig kontaktlos (auch durch Recall) unter Empfehlung einer häuslichen Isolierung betreut werden. Rezepte, Überweisungen sollten per Post zugesendet werden, alle nicht zwingend nötigen Behandlungstermine (wie z. B. GU, HKS, Schulungen, DMP, Routinelaborkontrollen usw.) evtl. verschoben werden.

Durch den Gesetzgeber wurde die Durchführung von Videosprechstunden vereinfacht, die telefonische AU bei Erkrankungen der oberen Atemwege eingeführt.

Wie unsere Mitglieder berichteten, verlief die Umsetzung der Empfehlungen in den Praxen ganz unterschiedlich - vor allem zwischen Haus- und Facharztpraxen. Selbst auf dem Höhepunkt der Pandemie gab es noch Facharztpraxen ohne Terminsprechstunde, mit gut gefüllten Wartezimmern und MFA ohne Mund-Nasen-Schutz. Die Erfahrungen von Barbara Kronfeldner aus ihrer Hausarztpraxis finden Sie im Kasten auf Seite 5.

Portait
Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztkammer

„In vielen Praxen kommen neben den Ärzten auch die Medizinischen Fachangestellten an ihre Belastungsgrenzen.“

Viele rechtliche Fragen

In der Rechtsabteilung mehrten sich indes die Anrufe von Beschäftigten, die aufgrund von Umsatzeinbußen in der Praxis eine Kündigung erhalten hatten. Hinzu kamen widersprüchliche Informationen zur Rechtmäßigkeit von Kurzarbeit in Arztpraxen. Um gerade diese Mitglieder nicht noch mehr finanziell zu belasten, wurde vom Verband die Möglichkeit einer nachträglichen Beitragsreduzierung geschaffen.

Parallel dazu haben wir an die Wichtigkeit der Ausbildung erinnert: Denn leider gingen auch Meldungen bei uns ein, dass Auszubildende als vollwertiges Teammitglied im Praxisalltag eingesetzt werden und ihnen nicht die Zeit genehmigt wird, um ihre Aufgaben zu erledigen und die Lerninhalte der Berufsschule zu bearbeiten.

In dieser Zeit standen Pflegepersonal und Ärzteschaft in den Krankenhäusern im Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung. Zu Helden wurden auch Kassierer/innen, Busfahrer/innen und Erzieher/innen im Notdienst. Keine Frage: Ohne sie hätte das Leben in der Krise nicht funktioniert. Aber wer schaute auf die mehr als 400.000 Medizinischen Fachangestellten in Deutschlands niedergelassenen Praxen, die ebenso wie alle anderen Alltagshelden kaum die Niedriglohngrenze überschreiten. Mit Blick auf immer noch fehlende Schutzausrüstung stemmten die Praxisteams die Versorgung von mehr als 80 Prozent der Corona-Infizierten, die nicht in die Kliniken eingewiesen werden mussten.

Assistieren, organisieren, beruhigen, beraten

Das Beachten der zweitgrößten Berufsgruppe im ambulanten Gesundheitswesen haben wir immer wieder angemahnt: In der Politik und bei den Institutionen der Arbeitgeber. Die ambulante ärztliche und zahnärztliche Versorgung ist in ihrer Gesamtheit systemrelevant und leistet in der aktuellen Situation Außergewöhnliches, um die Kliniken zu entlasten. Allerdings erscheinen die dort beschäftigten mehr als 400.000 Medizinischen Fachangestellten (MFA) und 200.000 Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) eher als blinder Fleck, erklärte Hannelore König, für den Bundesvorstand. In einem weiteren Brief hat der erweiterte Bundesvorstand deshalb daran erinnert, dass MFA und ZFA die ersten Kontaktpersonen für alle Patientinnen und Patienten sind und dies täglich - ob Pandemie oder nicht. Das heißt, sie sind auch jetzt gefordert, zu assistieren, zu organisieren, zu beruhigen und zu beraten, so König weiter.

Medizinische Fachangestellte übernehmen viele arztentlastende Tätigkeiten, z. B. bei Hausbesuchen oder in den Pflegeheimen. Sie kennen und schätzen die besonderen Leistungen von Pflegekräften, denn auch in normalen Zeiten erfolgt die Versorgung der Patientinnen und Patienten systemübergreifend und interprofessionell. Daher können unsere Berufsangehörigen und wir als ihre Interessenvertretung nicht nachvollziehen, warum nur Pflegekräfte und Notfallsanitäter in Bayern einen Sonderbonus als Anerkennung und Wertschätzung der besonderen Belastung in dieser Krise erhalten, heißt es in dem Brief weiter. Verschiedene Antworten sind eingegangen, die wir teilweise auf unserer Website veröffentlichten. Der Bundesgesundheitsminister war nicht darunter, aber die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat den mehr als 400.000 MFA mit einem Dankeschön-Plakat gedankt (siehe Kasten).

Anerkennung von vielen Seiten

Der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Klaus Reinhardt ging einen Schritt weiter und erklärte: Alle Beschäftigten im Gesundheitswesen arbeiten mit großem Engagement daran, die Herausforderungen der Corona-Pandemie zu bewältigen. In der aktuellen Phase müssen die Kliniken weiter entlastet und möglichst viele Patienten im ambulanten Bereich versorgt werden. Dafür kommen in vielen Praxen neben den Ärzten auch die Medizinischen Fachangestellten (MFA) an ihre Belastungsgrenzen. Ohne sie wäre die ambulante Versorgung nicht vorstellbar. Das gelte generell, aber in diesen Krisenzeiten in ganz besonderem Maße.

Aufgrund des gegenwärtig erhöhten Ansteckungsrisikos für Beschäftigte in Arztpraxen forderte Reinhardt die Politik auf, der Beschaffung von Schutzausrüstung weiter höchste Priorität einzuräumen. An Bund und Länder richtete der BÄK-Präsident die Forderung, einen Hilfsfonds für Ärzte und MFA einzurichten, die in Ausübung ihres Berufes im Zuge der Corona-Epidemie gesundheitlichen Schaden genommen haben.

Lob ist gut, mehr Geld ist besser

Hausärztevertreter forderten ebenfalls einen Bonus für MFA. Besonders wichtig für den Verband medizinischer Fachberufe e.V. als Tarifpartner ist die Unterstützung durch Erik Bodendieck. Der Präsident der Sächsischen Landesärztekammer informierte uns über seinen Brief an den Bundesgesundheitsminister von Anfang Mai.

Hier ein Auszug: Als niedergelassener Arzt und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Arzthelferinnen und Medizinischen Fachangestellten (AAA) sehe ich es mit Sorge, dass die Leistungen der Medizinischen Fachangestellten (MFA) von der Politik und in der öffentlichen Wahrnehmung viel zu häufig übersehen werden und keine angemessene Würdigung erfahren. Dabei stellen derzeit rund 430.000 MFA an der Seite der Ärztinnen und Ärzte die ambulante Versorgung in Deutschland sicher.

Um es klar auszusprechen, nicht nur Pflegekräfte und Ärzte, sondern auch MFA sind für die Versorgung unentbehrlich. Von daher bitte ich Sie, bei Ihren grundsätzlichen Bestrebungen zur Steigerung der Attraktivität der Gesundheitsberufe, aber auch aktuell bei der Anerkennung der Leistungen während der Corona-Pandemie, die MFA nicht zu vergessen.

Über diese Würdigung der MFA-Leistungen können sich alle MFA freuen. Das Verhandlungsteam wird spätestens bei den nächsten MFA-Tarifverhandlungen daran erinnern. Denn wir haben Nerven wie Drahtseile.

Portrait

Carmen Gandila
ist Vizepräsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe e. V. und Autorin dieses Beitrags.

 

 

 

 

Die KBV bedankt sich bei den MFA


Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat sich bei den MFA für ihren besonderen Einsatz bedankt:

Sie sind häufig die ersten Ansprechpartner für Patienten, die ärztliche Hilfe benötigen, und sie leisten in der Corona-Krise Großartiges. Auf einem eigens erstellten Praxisposter würdigt der Vorstand die Arbeit der MFA. Ob Pandemie oder nicht, als erste Kontaktperson sind Sie von größter Bedeutung für die Gesundheitsversorgung Deutschlands, heißt es dort. Mit dem Poster und unserem Dankeschön wollen wir das besondere Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Praxen würdigen und öffentlich herausstellen.