Den richtigen Umgang finden
Mein Chef ist schwierig
© Marius Pawlitza
Bei mancher Praxis ist die Betriebsordnung angeblich nur zwei Paragraphen lang: Paragraph 1 – der Chef hat immer recht. Paragraph 2 – hat der Chef einmal nicht recht, tritt automatisch Paragraph 1 in Kraft. Der Witz hat zugegeben schon einen ziemlich langen Bart, doch es steckt leider auch einiges an Wahrheit darin. Personalführung gehört im Medizinstudium leider nicht zu den Pflichtfächern, und so hat mancher Praxisinhaber hier das eine oder andere Defizit, das die MFA ausbaden müssen. Wenn wir hier von Chefs reden, sind natürlich auch Chefinnen gemeint, doch unserer Erfahrung nach ist gerade bei diesem Thema die männliche Form schon die richtige. Wir schauen uns die typischen Problemfälle an.
Choleriker
Choleriker sind absolute Gefühlsmenschen – auch wenn sie das selbst nie so sehen würden. Sie verletzen, um auch bei Ihnen Gefühle zu sehen. Hinter provozierenden Schimpfereien steckt selten eine reale Kritik, sondern vielmehr Unsicherheit oder andere emotionale Beweggründe. Wichtig ist deshalb an erster Stelle Ihre innere Einstellung. Nehmen Sie am besten nichts persönlich. Rastet der Chef aus, so hat das nichts mit Ihnen zu tun. Choleriker machen nämlich keinen Unterschied zwischen sachlicher und persönlicher Kritik, alles kommt in einen Topf. Lassen Sie alle persönlichen Vorwürfe beim Choleriker und machen Sie sich klar: Der Chef hat ein Problem, nicht Sie. Sich dabei selbst etwas aus der Schusslinie zu nehmen ist dabei besser, als in Tränen auszubrechen oder Gegenvorwürfe zu machen.
Auf der anderen Seite dürfen Sie das Thema auch nicht bagatellisieren. Versuchen Sie nicht, im Augenblick des Gefühlsausbruchs sachlich zu argumentieren – verschieben Sie die inhaltliche Diskussion auf einen späteren Zeitpunkt.
Weil ein Choleriker beim Gegenüber ebenfalls Gefühle sehen will, ist die beste Reaktion der souveräne Umgang mit Emotionen: „Ihre Art empfinde ich als sehr verletzend“ oder „Ihre Bemerkungen treffen mich, und ich empfinde sie als sehr ungerecht.“ Nach wenigen Minuten ist der erste Zorn in der Regel auch wieder verraucht. Jetzt ist die Gelegenheit günstig, zu einem sachlichen Austausch zurückzukehren. Hier gilt die „Gerade weil“-Methode als erfolgversprechend, weil sie dem Gesprächspartner das Gefühl vermittelt, dass Sie ihn und seine Einwände ernst nehmen. Ein Beispiel: Beklagt sich der Chef, dass Sie trotz hektischem Praxistag noch eine Teambesprechung fordern, ist eine gute Antwort: „Gerade weil es wieder drunter und drüber geht, müssen wir über ein paar Dinge reden.“ Im Anschluss an Ausbrüche haben Choleriker oft Schuldgefühle, denn sie wissen ganz genau, dass ihr Verhalten nicht in Ordnung ist. Wenn Sie einen Choleriker am nächsten Tag ohne Vorwürfe mit dem Geschehenen konfrontieren, gewinnen Sie eine Menge Respekt. Und in ganz schlimmen Fällen lassen Sie ihn einfach mal ohne jeden Kommentar stehen.
Egoisten
Egoisten fühlen sich im Gegensatz zu Cholerikern immer im Recht. Für die Psychologen ist der Egoist jemand, der seine Bedürfnisse befriedigt und die der anderen übergeht. Wichtig sind dabei beide Aspekte. Denn dass jeder Mensch darauf achtet, dass seine Interessen nicht zu kurz kommen, ist normal. So gesehen ist jeder Mensch bis zu einem gewissen Punkt egoistisch, und das gilt natürlich auch für jeden Chef.
Problematisch ist der „ungesunde Egoismus“. Diesen Chefs ist es egal, wenn andere durch ihr Verhalten benachteiligt werden. Häufig geht ein solches Verhalten aber mit Minderwertigkeitsgefühlen einher, und die Betroffenen haben nie gelernt, sich in andere Menschen hinein zu versetzen.
Das Zusammenleben in einer Gemeinschaft wie dem Praxisteam funktioniert immer in zwei Richtungen. Menschen, die unter dem Egoismus anderer leiden, tragen oft ein Stück zur Situation bei. Indem sie sich zu viel gefallen lassen, sei es aus Angst vor Konflikten oder aus einem eigenen Minderwertigkeitsgefühl: „Ich habe es nicht anders verdient.“ Wenn Sie es in Ihrem direkten Umfeld mit einem Egoisten zu tun haben, sollten Sie daher zunächst Ihr eigenes Selbstwertgefühl hinterfragen. Machen Sie sich klar, dass Ihnen dieselben Rechte zustehen, bevor Sie sich in ihr Schicksal ergeben.
Doch wie geht man am besten mit Egoisten um? Marie von Ebner-Eschenbach schrieb dazu vor mehr als 100 Jahren: „Der Umgang mit einem Egoisten ist darum so verderblich, weil die Notwehr uns zwingt, allmählich in seine Fehler zu verfallen.“ Für den Alltag heißt das: Bevor Sie „Ja“ sagen und eigene Interessen hinten anstellen, sollten Sie sich die Frage stellen: Möchte ich das wirklich? Wenn Sie innerlich „Nein“ sagen, dann sollten Sie das auch nach außen tun – und zwar ohne ellenlange Begründungen, sondern durch konsequentes Handeln. Der Egoist wird sicher versuchen, Sie wieder zum alten Verhalten zu bringen. Sie müssen lernen, einen Konflikt auszuhalten. Dann können Ihnen Egoisten eigentlich nicht mehr viel anhaben.
Pedanten
Pedanten haben stets einen penibel aufgeräumten Schreibtisch und würden am liebsten alles selbst machen. Deshalb sind sie mit der Arbeit anderer nie zufrieden und halten ihre übertriebene Sorgfalt und Kontrollsucht auch noch für eine besondere Tugend. Als Chef neigen sie zu einem autoritären Führungsstil und leiden unter dem Zwang, Mitarbeiterinnen so zu kontrollieren, dass dort kein Funke von Eigenverantwortung aufkommt. Ihr Verhalten ist genauso steif und unbeweglich wie ihr Auftreten.
Wenn Sie als Mitarbeiterin nur so vor Ideen sprühen, haben Sie es dort nicht leicht. Doch bevor Sie die Flinte ins Korn werfen, sollten Sie es mit einem offenen Dialog versuchen. Der Pedant kontrolliert gerne, wie weit Sie denn nun mit Ihrer Arbeit sind. Hier kann es durchaus erfolgversprechend sein, ihn mit der Frage zu konfrontieren, ob er Ihrer Leistung nicht vertraut. Das erfordert zwar eine Menge Mut von Ihrer Seite. Es bringt ihn aber sicher dazu, über die Situation nachzudenken, denn offene Diskussionen über sein Verhalten meidet der Pedant wie der Teufel das Weihwasser. Schaffen Sie eine Situation, die ihm die Konsequenzen seiner Kontrollsucht möglichst krass vor Augen führt.
Schwierig ist es, wenn pedantische Chefs selbst unter Zeitdruck geraten und dann versuchen, den Druck an die Mitarbeiter weiterzugeben. Dann stehen Sie als Team zwischen allen Stühlen. Arbeiten Sie pedantisch, werden womöglich Termine verpasst. Arbeiten Sie aber schnell, steigt die Fehlerwahrscheinlichkeit. Lassen Sie diese Art von Druck also nicht zu. Weisen Sie den Chef darauf hin, dass die von ihm verlangte Detailarbeit eben ihre Zeit benötigt: „Wenn das Ihr Zeitplan ist, glaube ich nicht, Ihrem Perfektionsanspruch genügen zu können. Was schlagen Sie vor?“ Eine vertrauensbildende Maßnahme ist es, unaufgefordert Zwischenergebnisse zu präsentieren. Das mindert seine Angst vor Kontrollverlust.
6 Tipps für schlechte Tage
Wenn der Chef oder die Chefin mal wieder mit dem völlig falschen Fuß aufgestanden ist, helfen vielleicht ein paar unserer erprobten Praxis-Tipps:
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Wutausbruch aussitzen
Bleiben Sie im Falle eines Wutausbruchs stets ruhig und verlassen Sie den Ort des Geschehens. Rationale Argumente führen bei einem Wutanfall nicht zum Ziel. -
Aufrechte Körperhaltung einnehmen
Achten Sie auf Ihre Körperhaltung. Eingesunkene Schultern und ein nach vorne gebeugter Oberkörper suggerieren Unsicherheit und machen Sie zum Ziel von Angriffen. -
Mit Kollegen zusammentun
Wenn nicht nur Sie persönlich, sondern auch die Kolleginnen und Kollegen darunter leiden, können Sie um ein gemeinsames Gespräch mit dem Chef bitten. -
Distanz bewahren und Angriffe nicht persönlich nehmen
Bei häufig schlecht gelaunten Chefs sollten Sie nicht alles auf sich beziehen und sich nicht persönlich angegriffen fühlen. -
Bei Fehlern auf Augenhöhe kommunizieren
Machen Sie sich nicht klein, sondern begegnen Sie ihm kommunikativ auf Augenhöhe. -
Chef über die eigene Arbeit informieren
Schwierige Chefs lassen sich oft beruhigen, wenn Sie sie auf Ihre eigene Arbeit ansprechen. Damit zeigen Sie, dass Sie gut organisiert sind.