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Familiencoach Krebs

Krebs gemeinsam bewältigen

Krebserkrankungen belasten nicht nur Patienten ganz erheblich, sondern auch deren Angehörige. Der neue Familiencoach Krebs der AOK bietet Angehörigen Unterstützung in allen Phasen der Erkrankung und vermittelt Wissen rund um das Thema Krebs.
© AOK
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Krebs gehört zu den sogenannten lebensverändernden Diagnosen, die mit vielen Belastungen wie zum Beispiel Sorge und Ängsten, Trauer und auch Wut verbunden sein können. Lebenspartner und Familienmitglieder sind davon genauso betroffen wie der Patient selbst. Gefangen zwischen der Angst, einen geliebten Menschen zu verlieren und einer Vielzahl von praktischen, oft unlösbar scheinenden Problemen. Das Robert KochInstitut geht aktuell von mehr als 500.000 Krebs-Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland aus und Studien weisen darauf hin, dass bis zu 40 Prozent der Angehörigen Symptome von Depressionen und Angst entwickeln.

Die AOK bietet seit Juni 2021 einen neuen Online-Coach für Angehörige von Menschen, die an Krebs erkrankt sind, an. Das Programm wurde in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Leipzig und dem Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums entwickelt und kann von allen Interessierten genutzt werden, nicht nur von AOK-Versicherten.

Unterstützung für Angehörige

Der „Familiencoach Krebs“ hilft dabei, Familienmitglieder und Freunde zu unterstützen und sich selbst vor emotionaler, körperlicher oder sozialer Überlastung zu schützen. Zudem informiert das Online-Angebot über die Entstehung, Diagnose und Behandlung verschiedener Krebserkrankungen und beantwortet sozialrechtliche Fragen. Es ist für alle Interessierten anonym und kostenfrei nutzbar.

„Angehörige müssen oft das Familien- und Arbeitsleben sowie emotionale, körperliche und soziale Belastungen unter einen Hut bringen, während sie einem nahen Menschen helfen, mit einer lebensbedrohlichen Krankheit zu leben“, sagt Prof. Anja Mehnert-Theuerkauf, Leiterin der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie des Universitätsklinikums Leipzig, die bei der Entwicklung der psychoonkologischen Inhalte des Online-Coaches federführend war.

Ängste und Sorgen, Beziehungsprobleme, aber auch Entscheidungen rund um die Behandlung können zu großen Belastungen führen, insbesondere für die Partnerin oder den Partner. Durch das dauerhafte Bedürfnis, den kranken Partner nach Kräften zu unterstützen, schieben viele ihre eigenen psychischen Konflikte und Ängste beiseite, was wiederum zu eigenen gesundheitlichen Problemen führen kann. Manche Versorgungsexperten sprechen deshalb von Patienten zweiter Ordnung, die ebenfalls auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind. Diese Hilfe bietet der Familiencoach Krebs.

Selbstfürsorge als Ziel

Das Unterstützungsprogramm umfasst ein breites Themenspektrum und ist modular aufgebaut. Im Bereich „Gut für sich sorgen“ geht es beispielsweise um Strategien zur Bewältigung der eigenen psychischen Belastungen. „In solchen Situationen braucht jeder Kraft“, sagt Prof. Mehnert-Theuerkauf, „mentale Kraft und körperliche Kraft.“ Im Mittelpunkt der Unterstützung steht deshalb die Selbstfürsorge.

Im Bereich „Beziehungen stärken“ geht es u.a. um schwierige Gespräche. Während des gesamten Behandlungsprozesses kommen Angehörige sich oft überflüssig vor. Doch das Gegenteil ist richtig: Durch die langjährige Vertrautheit können sie für den Patienten in jeder Phase seiner Erkrankung eine enorme Stütze sein. Auch der Themenbereich „Sich hilfreich fühlen“ zeigt Möglichkeiten zur Unterstützung der erkrankten Angehörigen auf. So kann ein besseres Verständnis der Situation zu einer angemessenen Unterstützung führen – ohne zu bevormunden.

Auch die palliative Therapie, also die Behandlung im Falle einer voraussichtlich nicht mehr heilbaren Erkrankung, wird im Programm thematisiert, ebenso das Sprechen mit Kindern über die Erkrankung oder der Einfluss von Krebserkrankungen auf die Sexualität.

Verständliches Wissen

In der Regel ist eine Krebsdiagnose nicht selbsterklärend, viele Fragen bleiben offen. In den Themenbereichen „Wissen über Krebs“, „Behandlungen“ und „Krebsarten“ steht die Information über die Erkrankung und die modernen Therapiemöglichkeiten im Vordergrund. Der Bogen reicht von der Krebsfrüherkennung über die Behandlung, das Nebenwirkungsmanagement bis hin zur Nachsorge von Krebs.

Nutzerinnen und Nutzer erfahren aber nicht nur, welche neuen Behandlungsmethoden in den letzten Jahren entwickelt wurden. Sie können z.B. auch nachlesen, was sie selbst tun können, um Erkrankte beim Gesundwerden zu unterstützen oder was eine Krebserkrankung in der Familie für das eigene Risiko oder für das der Kinder bedeuten kann. Dieses Wissen soll die Kommunikation erleichtern, denn wer mehr über Krebs weiß, fühlt sich sicherer und kann Patientinnen und Patienten besser bei Entscheidungen unterstützen.

Damit das Programm eine echte Hilfe darstellt und sich an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert, wurden Angehörige von Anfang an in die Entwicklung eingebunden. Ihre Perspektive ist über Befragungen und Fokusgruppen in den Familiencoach Krebs eingeflossen. Begleitet wurde die Entwicklung zudem durch einen wissenschaftlichen Beirat mit ausgewiesenen Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Onkologie, der Psychoonkologie und der Selbsthilfe.

Niedrigschwellige und wissenschaftlich basierte Information

Die Nutzerinnen und Nutzer können sich im Familiencoach Krebs zehn Problem- und Lösungsfilme zu Themen wie Hoffnungslosigkeit, Aggression, Bevormundung oder Müdigkeit und Erschöpfung ansehen. Sie erfahren durch Grafiken und Animationen unterstützt, wie Krebs entsteht und wie die Kommunikation mit dem erkrankten Angehörigen oder Freund gelingen kann. Mit zwölf leicht in den Alltag zu integrierenden, audiogeleiteten Entspannungs- und Meditationsübungen können sie sich selbst etwas Gutes tun. „Das Online-Selbsthilfeprogramm bietet hier niedrigschwellige und wissenschaftlich basierte Informationen, die jederzeit flexibel genutzt werden können“, sagt Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes.

www.aok.de/familiencoach-krebs

Erfolgsmodell Online-Coaches

Das neue Programm ergänzt das Angebot der kostenlosen Online-Coaches der AOK für belastete Zielgruppen, das Schritt für Schritt weiter ausgebaut wird. Auch die anderen Online-Coaches richten sich in erster Linie an Angehörige von erkrankten oder pflegebedürftigen Menschen.

Der „Familiencoach Pflege" soll die Psyche von pflegenden Angehörigen stärken und sie vor Überlastung schützen. Er vermittelt unter anderem, wie wichtig es für pflegende Angehörige ist, sich nicht zu isolieren, sondern auch in schwierigen Zeiten persönliche Kontakte zu Freunden, Bekannten und Nachbarn aufrecht zu erhalten. Auch der Umgang mit schwierigen Gefühlen wie Trauer, Wut, Ekel oder Angst ist ein Thema beim Familiencoach Pflege. In interaktiven Übungen erhalten Nutzer ein maßgeschneidertes Feedback, können sich Filme zu schwierigen Alltags-Situationen sowie Interviews mit Experten ansehen und Hörübungen zur Entspannung und Achtsamkeit nutzen.

Um den Umgang mit depressiv erkrankten Familienmitgliedern oder Freunden geht es beim „Familiencoach Depression". Hier geht es u.a. darum, wie es gelingen kann, die Beziehung zum erkrankten Angehörigen wieder zu stärken, mit Krisensituationen umzugehen, den Erkrankten zu unterstützen und sich selbst in dieser schwierigen Situation nicht zu überfordern. Zudem vermittelt das Programm Wissen über die Erkrankung.

Der „ADHS-Elterntrainer" schließlich richtet sich an Eltern in schwierigen Erziehungssituationen und der „OnlineCoach Diabetes" an Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes und deren Angehörige. Allen gemeinsam ist, dass sie aufgrund der anonymen und jederzeit flexiblen Nutzung einen niedrigschwelligen Einstieg ermöglichen und wissenschaftlich basierte Informationen zur Verfügung stellen.