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Psychische Belastung

Burnout durch die Pandemie?

Fast alle im Gesundheitswesen haben sich in ihrem Berufsleben mindestens einmal ausgebrannt gefühlt. Die SARS- CoV-2-Pandemie hat das Gefühl der Erschöpfung und Überlastung für viele noch verstärkt. Wir werfen einen Blick auf aktuelle Untersuchungen und geben Tipps für den Praxisalltag.
© H_Ko – stock.adobe.com
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Burnout tritt vor allem in Berufen auf, in denen der Umgang mit Menschen einen großen Bestandteil der täglichen Arbeit ausmacht – wie in der Arztpraxis. Das war natürlich auch vor der Pandemie schon so. Bereits eine Anfang 2020 veröffentlichte Studie der Charité Berlin und des Instituts für Versorgungsforschung an der Uniklinik Hamburg Eppendorf im Auftrag der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege hatte für Aufsehen gesorgt. Grundlage war eine randomisierte Online-Umfrage unter mehr als 1.300 Ärzten und Pflegekräften.

Belastungsfaktoren

Zu den Belastungsfaktoren zählten dabei neben einer hohen Wochenarbeitszeit auch Anfeindungen von Patienten und hoher Dokumentationsaufwand (siehe Grafik). Verbale Gewalt erlebten in dieser Studie 84 Prozent der Pflegenden und 70 Prozent der Ärzte, auch körperliche Aggressionen sind nicht selten. Extrem hoch ist der Anteil der Befragten, der ein Missverhältnis zwischen Einsatz und Leistung auf der einen Seite und Anerkennung, Gehalt und Aufstiegsmöglichkeiten sieht.

Die Folgen für die Gesundheit: 64 Prozent der Ärzte und 56 Prozent Pflegeberufe bewerten ihren Gesundheitszustand als schlecht, 56 und 57 Prozent klagen über Burnout-Symptome. Als Hauptkriterien gelten emotionale Erschöpfung, eine gefühllose und gleichgültige Einstellung zur Arbeit sowie eine negative Einschätzung der eigenen Fähigkeiten.

Ein Burnout führt zu körperlichen Folgen (siehe Kasten) bis hin zur Depression und kann schließlich in einen Teufelskreis münden. Die Ärzte Zeitung nennt dazu Zahlen: Depressionen erhöhen das Risiko für Fehler um 60 Prozent, Fehler steigern das Depressionsrisiko um 70 Prozent. Dass ausgebrannte Ärzte mehr Fehler machen, hatten auch frühere Studien schon gezeigt.

Der Beitrag der Pandemie

Während des letzten Lockdowns untersuchte eine Studie im Auftrag eines IT- Konzerns die Auswirkungen von Überlastung und Burnout im Gesundheitswesen in zehn Ländern. In Deutschland gaben 48 Prozent der Teilnehmer an, dass die Pandemie ihre Überlastungssymptome verschlimmert habe.

Im Corona-Winter 2020/21 waren weniger Krankschreibungen wegen Erkältungskrankheiten zu beobachten. Die Abstands- und Hygieneregeln hatten auch gegen andere Infektionserreger geholfen. Den größten Anteil am Krankenstand machten mit 20 Prozent in diesem Winter die Fehltage wegen psychischer Erkrankungen aus. COVID-19-Diagnosen lagen mit 0,4 Prozent weit hinten.

Zur Hochphase des zweiten bundesweiten Lockdowns im März 2021 fühlten sich 42 Prozent „stark“ oder „sehr stark“ von der Coronakrise belastet. Bei einer ersten Befragung im Mai 2020 waren es noch 35 Prozent. Für diese Studie hatte das Psychologische Institut der Technischen Universität Chemnitz ein Jahr lang in mehreren Wellen insgesamt 2.900 Berufstätige befragt. Zu den neuen Hauptbelastungsfaktoren in der Pandemie zählten demnach fehlende persönliche Treffen mit Verwandten und Bekannten wie auch die Angst, dass Angehörige oder Freunde an COVID-19 erkranken könnten.

Diagramm: Krank machende Faktoren im medizinischen Alltag bei Pflegekräften und die Folgen.
Krank machende Faktoren im medizinischen Alltag bei Pflegekräften und die Folgen.

Die körperlichen Folgen

Burnout ist nicht Folge von Stress schlechthin, sondern von unbewältigtem Stress. Viele Betroffene entwickeln dann körperliche Störungen, ohne den Zusammenhang zu ihrer Lebenssituation zu erkennen. Die Neurologen sprechen von einem „hochgefahrenen Stresssystem bei gleichzeitigem Absturz des Motivationssystems“. Das System gerät schließlich außer Kontrolle, mit vielfältigen Folgen:

  • Schlaflosigkeit und Antriebsstörungen sind erste Symptome. Durchwachte Nächte häufen sich, und Schlaf hat keine erholsame Funktion mehr.
  • Das Immunsystem wird durch den permanenten Alarmzustand geschwächt, die Infektionsanfälligkeit steigt.
  • Die Durchblutung der Herzgefäße und der Herzrhythmus ändern sich durch die andauernd ausgeschütteten Stresshormone.
  • Gestresste Menschen leiden häufig unter Verspannungen, die zu chronischen Rückenbeschwerden führen können.
  • Stress schlägt auf den Magen – Schleimhautentzündungen und Geschwüre können die Folgen sein.
  • Am Ende der Burnout-Karriere lauert oft die Depression, weil das hormonelle Gleichgewicht gestört ist.

Die Burnout-Typologie

Doch nicht nur auf die äußerlichen Faktoren kommt es an, mindestens genauso wichtig ist der innere Umgang mit der Situation. Können die eigenen Erwartungen überhaupt erfüllt werden? Ansonsten ist man gefangen in einer „Fallensituation“, wie Psychologen das nennen. Auch fehlende Anerkennung trägt zum Energieverlust bei. Am Ende steht ein tiefes Gefühl von Hilflosigkeit. Es gibt eine ganze Reihe von Burnout- Typen, die eindeutig gefährdeter sind als andere. Etwa der Perfektionist, bei dem jede Kleinigkeit passen muss, und der Helfer. Perfektionisten jagen nach Anerkennung und haben unrealistische Ziele. Helfer wollen immer verfügbar und hilfsbereit sein und kommen ins Straucheln, wenn sie nicht helfen können, weil sie entweder selbst überfordert sind oder weil schlicht keiner ihre Hilfe will.

Was kann man tun?

Gegen Burnout hilft vor allem eins: Abstand gewinnen. Perfektionisten müssen lernen, Unzulänglichkeiten auszuhalten und Helfer sollten sich fragen: Welche eigenen Wünsche und Bedürfnisse vernachlässige ich? Wie lerne ich, mir selbst zu helfen? Man kann nämlich durchaus lernen, sich gut zu fühlen, auch wenn man es nicht immer allen recht macht. Oft kann es auch helfen, die großen Aufgaben, die man sich als Idealist gerne setzt, zu zerlegen, um die Detailarbeit bewältigen zu können.

Beim Erlernen der dazu erforderlichen Fähigkeiten ist professionelle Hilfe gut. Das muss aber nicht gleich der Psychotherapeut sein, auch Online-Tools wie moodgym können dabei helfen. Das von australischen Wissenschaftlern für depressive Verstimmungen entwickelte Online-Selbsthilfeprogramm hilft dabei, aktiv erste Schritte zu gehen. In fünf Bausteinen kann man dort lernen, negative Gedankenmuster zu erkennen und durch neue zu ersetzen.

Dazu kann durchaus auch ein anderer, bewussterer Umgang mit Patienten gehören. Natürlich sollte Freundlichkeit immer ein hehres Ziel sein – auch in angespannten Situationen. Ärger zu verspüren ist aber auch normal. Nicht alle Angriffe und Unfreundlichkeiten persönlich zu nehmen, trägt sehr zur eigenen Ausgeglichenheit bei. Und wenn ein Patient sich einmal im Ton vergreift, darf man ihm das auch klarmachen – freundlich, aber bestimmt. Ziel einer Burnout-Prophylaxe sollte es sein, die äußere Belastung zu verringern und die eigene Belastbarkeit zu verbessern.

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