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Krebserkrankungen

Früherkennung rettet Leben

Durch frühzeitige Diagnose steigen die Heilungschancen für eine Krebserkrankung deutlich, doch während der Pandemie sind die Teilnahmeraten an den Früherkennungsprogrammen rückläufig. Die Hausarztpraxis kann helfen, Menschen zu motivieren, die vorgesehenen Untersuchungen auch wahrzunehmen.
© momius – stock.adobe.com
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Von den insgesamt ca. 61,5 Millionen gesetzlich Versicherten ab 15 Jahren hatten 2019 mehr als 3,3 Millionen in mindestens zwei Quartalen eine als gesichert dokumentierte Krebsdiagnose. Während die altersstandardisierte Diagnosehäufigkeit im Jahr 2010 noch bei 4,1 Prozent lag, stieg sie auf 5,2 Prozent im Jahr 2019 an. Das geht aus den aktuellen Zahlen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung hervor und weist darauf hin, dass ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Krebserkrankungen mit der demografischen Alterung der Bevölkerung zusammenhängt.

Die Daten bestätigen, dass vor allem ältere Menschen an Krebs erkranken (siehe Abbildung, Seite 9). Diese Verteilung über die Altersgruppen ist bei den meisten untersuchten Krebsarten zu beobachten. Ausnahmen bilden Hoden-, Gebärmutterhals- und Schilddrüsenkrebs, die häufig bereits in jüngeren Jahren auftreten.

Früherkennung als wichtiger Baustein

Aufgrund der demografischen Entwicklung ist davon auszugehen, dass der Anteil der Patienten mit einer Krebsdiagnose zukünftig noch weiter steigen wird. Das frühzeitige Erkennen einer Krebserkrankung verbessert bei vielen Tumorarten die Erfolgsaussichten. Man geht dabei davon aus, dass sich kleine und örtlich begrenzte Tumoren besser behandeln lassen als große Tumoren oder als solche, die schon gestreut haben. Der gelegentlich anstelle der „Krebsfrüherkennung“ verwendete Begriff „Krebsvorsorge“ ist falsch: Die Entstehung von Krebs kann nämlich in der Regel nicht verhindert werden, aber die Heilungsraten steigen deutlich.

Eine solche Früherkennung gelingt bisher aber nur bei wenigen Tumorarten zuverlässig – diese werden von den gesetzlichen Krankenversicherungen als Krebsfrüherkennungsuntersuchungen (KFU) erstattet. Dazu gehören für Frauen die KFU Gebärmutterhalskrebs und Brustkrebs, für Männer die KFU Prostatakrebs und für Frauen und Männer die KFU Hautkrebs und Dickdarmkrebs. Die Qualität einer Früherkennungsuntersuchung hängt nicht nur davon ab, dass sie zuverlässig ein frühes Krebsstadium nachweist, diese frühe Diagnose muss Betroffenen auch einen messbaren Vorteil bringen: Sie können dank früher Behandlung länger und besser leben als bei einer Diagnose in einem späteren Krankheitsstadium. Jede Früherkennungsuntersuchung kann aber neben dem Nutzen potenziell auch Schaden verursachen – etwa durch eine falsche Diagnose. Beim Abwägen der Vor- und Nachteile helfen Entscheidungshilfen der Krankenkassen.

Pandemie-bedingter KFU-Rückgang

Diagramm
© Versorgungsatlas
In den Altersgruppen ab 50 Jahren zeigt sich ein deutlicher Anstieg der Krebsdiagnosen seit 2010 Quelle: Versorgungsatlas-Bericht Nr. 21/11. Berlin 2021.

Vor allem in der ersten Pandemiewelle im Frühjahr 2020, aber auch in späteren Wellen gab es starke Einbrüche bei den KFU für gesetzlich Versicherte. Das zeigt eine Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Besonders starke Rückgänge waren bei der Früherkennung von Hautkrebs (2020 minus 19,8 Prozent gegenüber 2019) zu verzeichnen. Dieser Trend setzte sich 2021 fort. Die WIdO-Auswertung auf Basis der GKV-Frequenzstatistik zeigt für das Jahr 2020 auch beim Mammografie-Screening sowie bei der Prostatakrebs-Früherkennung deutliche Rückgänge der Teilnahmequoten gegenüber dem Vorjahr von jeweils 8,1 Prozent. Bei der Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs waren es minus 5,5 Prozent. Lediglich bei den Koloskopien zur Früherkennung von Darmkrebs war trotz Rückgängen in der ersten Pandemiewelle in der Jahresbilanz sogar ein leichter Anstieg von 2,1 Prozent festzustellen. Hier wäre der Anstieg ohne die Pandemie wohl noch höher ausgefallen.

Die ausgebliebene Diagnostik in der Pandemie dürfte nach Einschätzung von Experten gesundheitliche Folgen haben, da Tumore erst später erkannt werden. Gleichzeitig ist in der Pandemie ein deutlicher Rückgang bei Krebs-OPs zu verzeichnen. Darauf deutet auch eine aktuelle WIdO-Analyse zur Entwicklung der Darm- und Brustkrebsoperationen hin. Von März 2020 bis Juli 2021 gab es einen Rückgang der Darmkrebs-Operationen von 13 Prozent gegenüber 2019 und bei Brustkrebs-OPs um vier Prozent. Mittelfristig könnte das zu einem größeren Anteil höherer Schweregrade bei den Erkrankungen führen und zu einer höheren Sterblichkeit.

Eine Langzeit-Analyse für die Jahre 2009 bis 2020 macht zudem deutlich, dass viele Menschen in den vergangenen zehn Jahren nicht von der KFU erreicht wurden. So nahmen nur etwa die Hälfte der anspruchsberechtigten Menschen in den vergangenen zehn Jahren an der Darmkrebs-Früherkennung teil. Bei der Prostatakrebs-Früherkennung nahmen nur knapp ein Drittel, auch beim Hautkrebs-Screening sind die Zahlen ausbaufähig. Besser sieht es beim Gebärmutterhalskrebs aus: Über 80 Prozent der Frauen zwischen 29 und 40 Jahren haben regelmäßig teilgenommen. Seit Einführung der KFU 1971 ist die Zahl der Neuerkrankungen dadurch von 16.000 auf 4.300 Fälle pro Jahr gesunken.

Neue Informationskampagne

Ein überwiegender Teil der Menschen in Deutschland steht dem Thema Krebsfrüherkennung laut den Ergebnissen einer Forsa-Befragung offen gegenüber. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass es sich oft um schambesetzte Untersuchungen handelt, zu denen man sich überwinden muss und über die Menschen nicht gern sprechen. 42 Prozent der Befragten geben an, selten oder nie im persönlichen Umfeld über Vorsorgeuntersuchungen zu sprechen.

Mit der Kampagne „Deutschland, wir müssen über Gesundheit reden“ will die AOK gegen diesen Trend ansteuern und die Aufmerksamkeit für das Thema erhöhen. Die Kampagne umfasst unter anderem TV-Spots und Anzeigen zum Thema Früherkennung.

Familiencoach Krebs


© AOK

Die Diagnose Krebs ist für Betroffene und ihre Familien ein Schock. Der „Familiencoach Krebs“ hilft dabei, Familienmitglieder und Freunde zu unterstützen und sich selbst vor emotionaler, körperlicher oder sozialer Überlastung zu schützen. Zudem informiert das Online-Angebot über die Entstehung, Diagnose und Behandlung verschiedener Krebserkrankungen und beantwortet sozialrechtliche Fragen. Es ist für alle Interessierten anonym und kostenfrei nutzbar. Das Unterstützungsprogramm umfasst ein breites Themenspektrum und ist modular aufgebaut. Die Nutzerinnen und Nutzer können sich im Familiencoach Krebs zehn Problem- und Lösungsfilme zu Themen wie Hoffnungslosigkeit, Aggression, Bevormundung oder Müdigkeit und Erschöpfung ansehen und erhalten Tipps für die Kommunikation mit dem erkrankten Angehörigen oder Freunden.

www.aok.de/familiencoach-krebs