Das Magazin für Medizinische Fachangestellte

Pflege als Team-Arbeit

Betreuung am Lebensende – besser mit dem Hausarzt

Mehr als die Hälfte der Menschen in Pflegeheimen werden in den letzten zwölf Wochen vor Lebensende mindestens einmal in ein Krankenhaus verlegt. Mehr als jeder dritte Krankenhausfall wäre potenziell vermeidbar. Dazu braucht es ein Team – in dem auch der Hausarzt mit im Boot sein sollte.
© hkama – stock.adobe.com
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Menschen in ihrer letzten Lebensphase wollen ihre gewohnte Umgebung nicht verlassen – das gilt auch für Menschen in Pflegeheimen, von denen es sehr viele gibt. Das zeigt ein Blick auf die Versorgungsdaten. Rund jeder dritte innerhalb eines Jahres verstorbene AOK-Versicherte lebte in einem Pflegeheim. Deutlich mehr als die Hälfte davon wurde in den letzten zwölf Wochen vor dem Tod mindestens einmal in ein Krankenhaus verlegt.

Die Verlegungen in ein Krankenhaus ist für Hochbetagte und ihre Angehörigen aber nicht nur emotional schwierig, sie birgt auch erhebliche Risiken: psychische Belastungen, kognitive Verschlechterungen, in der Klinik erworbene Infektionen, Stürze, Komplikationen durch Immobilisation sowie der weitere Verlust von Selbstständigkeit.

Der Pflege-Report 2022, der vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) herausgegeben wird, beleuchtet auf Basis von Routinedaten Krankenhaus-Verlegungen von Pflegeheimbewohnenden unmittelbar vor dem Lebensende. Eine ergänzende Befragung von 550 Pflegefach- und Assistenzpersonen unterstreicht die Diskrepanz zwischen Versorgungswunsch und -wirklichkeit.

Deutlich mehr als jede dritte Krankenhauseinweisung in den letzten zwölf Wochen vor Versterben ist diesen Analysen zufolge potenziell vermeidbar. Analysiert wurde die Häufigkeit von sogenannten „Pflegeheim-sensitiven Krankenhausfällen“ (PSK). Dazu gehören beispielsweise Herzinsuffizienz, Dehydration oder Harnwegsinfektionen.

Interprofessionelle Zusammenarbeit verbessern

Diagramm
© ACP Deutschland
Häufigstes Problem laut Befragung ist die fehlende Erreichbarkeit der Ärztinnen und Ärzte.

Inwiefern diese kurz vor Lebensende erfolgten Krankenhauseinweisungen dem Willen der Betroffenen entsprechen, kann über Routinedaten nicht erfasst werden. Wichtige Hinweise dazu ergibt aber die Befragung. Jeder oder jede Fünfte erlebt monatlich oder häufiger, dass solche Bewohnende in ein Krankenhaus eingewiesen werden, obwohl es ihrer Meinung nach nicht im besten Interesse der Versterbenden ist. Ein zentrales Konfliktthema war dabei die Kooperation mit den betreuenden Hausärztinnen und -ärzten. Fast zwei Drittel der Befragten bemängelte die fehlende schnelle Erreichbarkeit der Ärztinnen und Ärzte (häufig = 62,3 Prozent), mehr als ein Drittel die mangelnde Bereitschaft zur palliativen Versorgung (37,7 Prozent) (Abb. oben).

Viele pflegebedürftige Menschen könnten bis zum Versterben also auch im Pflegeheim bleiben, sofern hier eine engere Zusammenarbeit aller Beteiligten, in erster Linie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflegeeinrichtung mit den Hausärzten, Krankenhäusern und Rettungsdiensten gelingt. Bei der Vorstellung des Pflege-Reports 2022 forderte die AOK-Vorstandsvorsitzende Dr. Carola Reimann daher: „Die unterschiedlichen Akteure müssen eng kooperieren, um bestmöglich im Sinne der Betroffenen agieren zu können. Der Anspruch eines würdevollen Sterbens im Heim darf nicht an mangelnder Zusammenarbeit zwischen den Professionen und fehlenden Ressourcen scheitern.“

Problemfall Patientenverfügung

Wie ein Mensch in seiner letzten Lebensphase versorgt und begleitet wird, ist wichtig – für jeden von uns. Darüber früh nachzudenken ist empfehlenswert, und den eigenen Willen sollte man dann unbedingt auch schriftlich im Rahmen einer Patientenverfügung festhalten. Es geht um Vorsorge, vor allem für den Fall der eigenen Handlungsunfähigkeit.

In der Umfrage zum Pflege-Report 2022 gab die Mehrheit der Befragten jedoch an, dass sich auf Druck der Angehörigen das Behandlungsteam für belastende beziehungsweise lebensverlängernde Maßnahmen entschied, obwohl die Patientenverfügung ein anderes Vorgehen nahegelegt hätte. Prof. Dr. Jürgen in der Schmitten, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Essen, erklärte, warum das so ist: „Die als Patientenverfügung verbreiteten Standardformulare geben oft nicht das verlässlich wieder, was die betreffende Person tatsächlich zu dem Thema denkt und wünscht.“ Er empfiehlt Advance Care Planning (ACP, steht für Behandlung im Voraus planen) als wirksames Instrument, das eine Vorausplanung nicht nur für die letzte Lebensphase erlaubt. ACP ist ein in Deutschland bisher wenig etabliertes Konzept und soll gewährleisten, dass Menschen in gesundheitlichen Krisen auch dann so behandelt werden, wie sie das wollen, auch wenn sie krankheitsbedingt nicht (mehr) einwilligungsfähig sind. ACP wurde im Rahmen des Hospiz- und Palliativgesetzes (HPG) in Form des Paragrafen 132 g SGB V zu einer Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Das Zwei-Säulen-Konzept

Diagramm
© ACP Deutschland
Das ACP-Konzept beruht auf zwei Säulen und soll den tatsächlichen Patientenwillen umsetzen.

Das ACP-Konzept beruht auf zwei Säulen (Abb. unten): Damit Menschen aussagekräftige Behandlungsentscheidungen im Voraus verlässlich treffen können, erhalten sie das Angebot einer ausführlichen Gesprächsbegleitung durch hierfür speziell qualifizierte (nicht-ärztliche) ACP-Gesprächsbegleiterinnen, die in enger Abstimmung und Kooperation mit dem Hausarzt tätig werden. Zwischen Patienten und ihren Hausärzten besteht in der Regel ein langjähriges Vertrauensverhältnis. Insofern spielt der Hausarzt eine wichtige Rolle bei der Vorausplanung. Wo nach dem Gespräch mit dem ACP-Gesprächsbegleiter Fragen offen bleiben, führt er ein ergänzendes Gespräch. Durch seine Beteiligung an dem Prozess wird zudem ein Vier-Augen-Prinzip etabliert, das hilft, die Qualität und Sicherheit dieses Prozesses zu erhöhen. Die Unterschrift des Hausarztes unter den Dokumenten macht die Beratung durch ihn sichtbar und trägt zur Verbindlichkeit der Festlegungen bei.