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Populäre Irrtümer in der Medizin

Zeit der Wintermärchen

Märchen werden von Generation zu Generation weitergegeben – weil sie fantasievoll und schön anzuhören sind. Mit manchem Gesundheitstipp für den Winter ist es ähnlich: Im besten Fall sind sie wirkungslos, mitunter aber sogar gefährlich. Wir haben ein paar populäre Irrtümer zusammengetragen, die sich vor allem um wintertypische Beschwerden drehen.
© Louis D. Wiyono – fotolia.com;
© Louis D. Wiyono – fotolia.com

Erkältungen sind im Winter allgegenwärtig. Fast jeder Erwachsene macht mindestens einmal jährlich eine durch, oft sind es auch zwei oder drei. In der Regel sind sie nicht schlimm, aber lästig und jeder Betroffene versucht, den Anflug von Kratzen im Hals und tropfender Nase im Keim zu ersticken. Sei es mit einem alten Hausrezept aus Omas Kräutergarten oder mit der großen Keule aus der Apotheke. Fakt ist: Nach wenigen Tagen klingen die Beschwerden in der Regel auch ohne Behandlung wieder ab. Nichtsdestotrotz halten sich manche Gerüchte rund um Erkältungskrankheiten hartnäckig.

Irrtum: Viel Vitamin C schützt vor Erkältungen.

Heißer Zitronen- oder Fliederbeersaft, frisch gepresste Orangen, Vitaminpräparate aus der Apotheke: Vor allem Vitamin C gilt als Zaubermittel zur Abwehr von Erkältungskrankheiten. Dabei verfahren viele Menschen nach der Devise viel hilft viel und schütten die vitaminreichen Drinks gleich literweise ein. Doch erstens kann Vitamin C alleine eine Erkältung nicht verhindern. Und zweitens wird das überschüssige Vitamin C einer Mahlzeit sofort über die Niere wieder ausgeschieden. Um dem Körper alles zu geben, was er braucht, bedarf es keiner Nahrungsergänzungsmittel. Zu empfehlen ist eine ausgewogene, vitaminreiche Ernährung. Stärken kann man das Immunsystem auch durch regelmäßige Aufenthalte im Freien. Wer regelmäßig Tageslicht und frische Luft tankt, kommt besser durch den Winter.

Irrtum: Grippemittel können eine Grippe unterdrücken, wenn man sie rechtzeitig einnimmt.

Diese Aussage ist in mehrfacher Hinsicht falsch. Freiverkäufliche Grippemittel bekämpfen bestenfalls die Symptome. Die meisten enthalten Schmerzmittel, Hustenreizdämpfer und Substanzen zum Abschwellen der Nasenschleimhäute – oft alles zusammen. Die Kombination erhöht aber nur die unerwünschten Wirkungen. Wenn eine Medikation sinnvoll ist, dann als Monopräparat. Diese senken nicht nur das Fieber, sondern helfen dazu auch bei Glieder- und Kopfschmerzen.

Irrtum: Leistungssportler sind weniger anfällig für Erkältungen.

Leistungssportler haben entgegen der landläufigen Meinung eher öfter Infektionskrankheiten wie Erkältungen, weil das Immunsystem durch die hohe körperliche Belastung gestört wird. Ihr Wert liegt sogar über dem von Nichtsportlern. Freizeitsportler haben dagegen weniger Erkältungskrankheiten, weil sie ihren Körper nur moderat belasten und diese Form der Belastung das Immunsystem eher stimuliert.

Irrtum: Gegen Schnupfen und Husten helfen Antibiotika.

Erkältungskrankheiten sind in der Regel viral bedingt und da helfen Antibiotika überhaupt nicht. In seltenen Fällen kann sich eine bakterielle Infektion auf den viralen Infekt setzen, die in noch selteneren Fällen antibiotisch behandelt werden muss. Antibiotika bei einer Grippe machen also bestenfalls dann Sinn, wenn der Patient gleichzeitig eine schwere bakterielle Infektion, etwa der Stirnhöhlen oder der Mandeln hat.

Gefährliche Irrtümer

Während über Erkältungen und andere im Winter häufig vorkommende Krankheiten gerne und oft geredet wird, bleiben andere Themen oft außen vor – weil die Betroffenen sich schämen, darüber zu sprechen. Dazu gehört das Thema Krebs.

Und leider gibt es auch dort viele Mythen und Irrtümer. Viele kreisen um weitere Tabuthemen, zum Beispiel Sexualität, andere um die Ernährung. In einigen steckt ein Körnchen Wahrheit, manche sind vollkommen an den Haaren herbei gezogen. Wirklich gefährlich wird es, wenn betroffene Menschen sich an solche Mythen klammern und dann die falschen Schlüsse ziehen. Eine interessante Website über Mythen speziell zum Thema Krebs unterhält der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums.

Irrtum: Gegen Ohrenschmerzen helfen Ohrentropfen.

Bei nicht-infektiösen Entzündungen des Außenohrs und des Gehörgangs können Ohrentropfen sinnvoll sein, die Entzündungshemmer oder ein Lokalanästhetikum enthalten. Bei erkältungsbedingten Ohrenschmerzen ist es aber oft so, dass die Nasenschleimhaut anschwillt und die Belüftungsröhre zum Mittelohr verschließt. Man sollte daher besser Nasentropfen einnehmen, da durch die Abschwellung der Nasenschleimhaut die Belüftung des Mittelohres erleichtert wird und weniger schmerzhafter Druck entsteht.

Irrtum: Hochziehen bei verstopfter Nase verschleimt die Nasennebenhöhlen.

Du sollst die Nase nicht hochziehen – jedes Kind kennt diese mehr oder weniger liebevoll gemeinte elterliche Ermahnung. Die Erklärungen dazu sind teils abenteuerlich. Etwa neurologische Probleme, weil dadurch Bakterien in die Hirnregion gelangen. Oder ein erhöhtes Infektionsrisiko in den Nasennebenhöhlen, weil der Schleim dann dort feststeckt. In Wirklichkeit ist es bestenfalls ein ästhetisches Problem, wenn jemand öfter die Nase hochzieht. Denn durch den Unterdruck wird Schleim aus den Nasennebenhöhlen gesaugt. Eher kann der Überdruck, der beim Schnäuzen entsteht, Flüssigkeit und zähen Schleim in die Nebenhöhlen pressen und so das Risiko für Entzündungen und Vereiterungen erhöhen. Zudem kann die Nasenhaut durch zu heftiges Putzen wund werden und sich entzünden.

Irrtum: Kirschkernkissen oder Wärmflasche sollten möglichst heiß sein.

Symptome wie Gliederschmerzen bei Erkältungskrankheiten lassen sich durch lokale Wärmeanwendungen lindern. Das empfinden viele Menschen so. Allerdings sollte man sich auch hier vor einem Zuviel hüten. Wenn Kirschkernkissen oder Wärmflasche zu heiß sind, schaden sie der Haut und das Gefühl von wohliger Wärme will sich nicht so recht einstellen. Wegen der optimalen Temperatur sollte man unbedingt die Packungsbeilagen beachten. Kirschkernkissen und vor allem Moorpackungen müssen nach dem Erwärmen gut durchmischt werden, damit sie gleichmäßig temperiert sind. Bei Bedarf können Sie auch ein Tuch dazwischenlegen.

Irrtum: Solarium hilft gegen Winterdepression.

Die saisonabhängige Depression (SAD oder Winterdepression) kann tatsächlich erfolgreich mit hellem Licht behandelt werden. Wenn die Tage im Herbst kürzer werden, bewirkt der Lichtmangel eine höhere Melatoninproduktion im Körper. Dieses Hormon ist u. a. für den Schlafrhythmus zuständig. Ein erhöhtes Schlafbedürfnis beobachtet man auch bei der Depression. Helles Licht, richtig eingesetzt, kann die Symptome einer Depression lindern. Allerdings ist das Solarium für eine solche Lichttherapie völlig ungeeignet. Wegen dem hohen UV-Anteil darf man keinesfalls in das Solariumlicht schauen - sonst kann das Auge geschädigt werden. Bei der Lichttherapie kommt es aber auf ausreichend Helligkeit an (mindestens 2.500 Lux), die über das Auge wahrgenommen werden muss.

Irrtum: Wer bei schlechtem Licht liest, verdirbt sich die Augen.

Selbst in gut beleuchteten Räumen ist es bei künstlichem Licht im Winter erheblich dunkler als im Sommer, wenn Tageslicht den Raum flutet. Liest man eher bei schummrigem Licht, dann strengt das die Augen mehr an und man wird schneller müde. Das bemerkten schon unsere Großeltern und irgendwann war das Märchen geboren, dass wenig Licht schädlich für die Augen ist. Das ist Quatsch, noch nie sind dauerhafte Schädigungen der Augen durch Lesen bei schlechtem Licht nachgewiesen worden. Wer bei schlechtem Licht liest, kann schlimmstenfalls Kopfschmerzen bekommen, weil die Augen schneller ermüden.

Buchtitel

Buchtipp

Lust auf mehr populäre Irrtümer? Das Lexikon der Medizinirrtümer von Werner Bartens kennt eine Menge davon.
Eichborn-Verlag, ISBN 978-3-8218-3922-6, 22,90 Euro