Serie Bürokratieabbau, Teil 2
Leicht entflammbar
Serie Bürokratieabbau
- 007 – der Vordruck stirbt nie
- Leicht entflammbar
Die formfreien Anfragen der Krankenkassen führen seit Jahren zu heftigen Konflikten. Während Leistungen wie die Verordnung der Häuslichen Krankenpflege klar geregelt sind, fehlen für andere Leistungen Mustervordrucke. Dann kommen schnell Fragen auf: Wieso brauchen Krankenkassen diese Zusatzangaben zu den Leistungen?
Die Antwort ist einfach: Damit sie gemäß der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Leistungen entscheiden können. Denn die Produktvielfalt und die therapeutischen Möglichkeiten sind in vielen Bereichen so komplex, dass eine Praxis eigentlich gar keinen Überblick haben kann – schließlich soll hier in erster Linie den Patienten geholfen werden. Das führt mitunter zu Skurrilitäten, auch wenn man sich das für die eigene Praxis gar nicht vorstellen mag. Da werden Badewannenlifter verordnet, ohne dass es überhaupt eine Badewanne in der Wohnung gibt. Oder es stehen Fuhrparks aus Rollatoren und Rollstühlen in Hausfluren herum, ohne dass auch nur einer genutzt wird. Kontrolliert das denn keiner? heißt es dann vorwurfsvoll an die Kassen, wenn solche Fälle sichtbar werden. Krankenkassen haben z. B. Verträge mit Hilfsmittelherstellern. Um unnötige Rückfragen zu vermeiden, können Hilfsmittelverordnungen oft direkt vom Arzt an die Kasse geschickt werden, die alles Weitere mit dem Patienten bespricht.
Ärzte und MFA haben gerade bei den formfreien Anfragen häufig den Eindruck, dass sie hier Auskünfte über Patienten erteilen sollen, die eigentlich unter die Verschwiegenheitspflicht fallen. Geheinschränkungen? Dekubitusgrad? Spielen Fragen nach Orientierungsstörungen oder Sehfähigkeit bei der Fahrt mit dem Elektrorollstuhl wirklich eine Rolle? Das hinterlässt beim gesamten Praxisteam oft ein ungutes Gefühl. Die Krankenkasse darf andererseits aber nur wirtschaftliche Leistungen bewilligen, was ohne manche Detailinformationen unmöglich ist.
Rechtlicher Rahmen
Das Formularwesen ist in den Bundesmantelverträgen (§ 36 Primärkassen / § 6 Ersatzkassen) sowie in der Vordruckvereinbarung (jeweils Anlage 2) geregelt. Der Arzt ist danach befugt und verpflichtet, den Krankenkassen und dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) für deren gesetzliche Aufgaben Auskünfte zu erteilen (§ 100 Abs. 1; § 73 Abs. 2 Nr. 9). Aber keine gesetzliche Regelung sagt derzeit, wie Krankenkassen ihre Fragen an einen Arzt zu stellen haben, der zur Auskunft verpflichtet ist. Daher bleibt das Thema ungriffig.
Arztpraxen sollten sich daran orientieren, ob die Anfragen im Rahmen der Paragraphen § 67 a Abs. 1 SGB X (Erhebungsbefugnis der Krankenkassen von Sozialdaten) in Verbindung mit § 284 SGB V (Sozialdaten bei den Krankenkassen) erfolgen. Konkret bedeutet das:
- Kranken- (und Pflege)kassen benötigen einen konkreten Anlass und die Angaben sind für eine Entscheidung notwendig.
- Bei sensiblen Daten sollte es eine qualifizierte Auskunft über Zweck und Erforderlichkeit geben.
- Schutzwürdige Interessen des Betroffenen werden nicht beeinträchtigt.
- Erforderliche Gutachten des MDK nach § 275 SGB V können nicht durch Anfragen ersetzt werden.
Eine verantwortungsvolle Medizin muss immer fragen, wie sinnvoll der Verbrauch von Ressourcen ist. Grundsätzlich trifft diese Sichtweise bei allen Beteiligten auf Verständnis – und doch holen Ärzte und Krankenkassen über das Formularwesen die Säbel raus. Das muss nicht sein.
Webtipp
- Informationen zum Bürokratieabbau finden Sie im Internet
unter:
www.kbv.de/telematik/buerokratieabbau.html
Sonja Laag