Das Magazin für Medizinische Fachangestellte

Serie Patiententypen

Dr. Google im Anmarsch

An der Rezeption und beim Arzt werden alle Patienten gleich behandelt – auch wenn das nicht immer leicht fällt. Unsere Serie Patiententypen gibt Tipps für den Umgang mit besonderen Zeitgenossen. Den Anfang macht der superinformierte Patient, der sich bei Dr. Google schlau gemacht hat.
© Zerbor – fotolia.com
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Serie Patiententypen

Da Gesundheit für viele Menschen das wichtigste Gut ist, scheint es mehr als selbstverständlich, dass sich Patienten auch außerhalb der Praxis ausgiebig zu gesundheitlichen Themen informieren. Während das früher die Überlieferungen der Großeltern waren (heiße Milch mit Honig löst den Schleim) und danach die gedruckten Ratgeber (Kursbuch Gesundheit), ist seit ein paar Jahren das Internet Informationsquelle Nummer eins. Manche Ärzte sprechen vom Kollegen Dr. Google.

Nach einer repräsentativen Studie des Meinungsforschungsinstituts SKOPOS nutzen 74 Prozent der deutschen Bevölkerung das Internet bei Gesundheitsfragen (Daten von Ende 2012). Schaut man sich konkrete Websites an, wird Wikipedia mit 55 Prozent bei Gesundheitsfragen am häufigsten genutzt, gefolgt von den Seiten der Krankenkassen (51 Prozent).

Der mit Abstand häufigste Weg zu einer Information im Internet führt aber auch bei Gesundheitsinformationen über Google. Welche Treffer dabei präsentiert werden, können Sie einfach selbst ausprobieren. Gibt man zum Beispiel Hepatitis C ein, so tauchen unter den ersten zehn deutschsprachigen Inhalten Portalseiten wie Wikipedia, Netdoktor oder das Robert Koch-Institut auf, aber auch schon zwei Pharmaseiten.

Dass sich Patienten informieren, ist zunächst einmal sehr positiv – zeigt es doch ein starkes Interesse an der eigenen Gesundheit. Vor allem für Patienten mit seltenen Erkrankungen hat das Internet vieles einfacher gemacht, zum Beispiel andere Betroffene zu finden und sich mit diesen auszutauschen. Auch kann man sich rund um die Uhr informieren – selbst nachts, wenn man Schmerzen hat und nicht schlafen kann.

Schwieriger machen kann das Netz den Umgang mit bestimmten Patienten. Aber auch das lässt sich in den Griff bekommen, wenn man die verschiedenen Informationstypen berücksichtigt.

Der Schweiger

Typ 1 informiert sich zwar im Internet, redet darüber aber nicht in der Praxis, um die Autorität des Arztes nicht infrage zu stellen. Umgekehrt wissen Ärzte, dass sich viele ihrer Patienten im Internet informieren, sprechen sie aber ebenfalls nicht darauf an. Diese Mischung aus Erwartungen, Vertrauen und Misstrauen kann schnell zu einer schwierigen Kommunikationssituation führen. Schwierig wird es dann vor allem, wenn vom Patienten gefundene Infos nicht mit der Erklärung und Empfehlung des Arztes übereinstimmen.

Wenn der Arzt das Gefühl hat, hier gibt es eine andere Erwartungshaltung, sollte er versuchen, auf die Bedürfnisse des Patienten einzugehen. Dazu ist es durchaus hilfreich einmal nachzufragen, ob sich der Patient im Internet informiert hat. Oft sind es vor allem das fehlende Berücksichtigen von Vorerkrankungen oder Dauermedikationen, die im Internet einfach unterschlagen werden.

Dass dieses Vorgehen positive Auswirkungen auf das Arzt-Patienten-Verhältnis haben kann, zeigt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Demnach besorgen sich 63 Prozent der Patienten vor einem Arztbesuch noch Informationen zu ihren Beschwerden, 45 Prozent bringen diese Informationen auch in das Arztgespräch ein und zwei Drittel haben dann das Gefühl, dass ihr Arzt das positiv aufgenommen hat.

Der Besserwisser


Neben www.gesundheitsinformation.de bieten auch die Krankenkassen zuverlässige Informationen.

Typ 2 trumpft mit seinem Wissen gerne auf. Er gilt als Besserwisser und ist in der Regel ein unsicherer Typ, der sich gerne hinter seinem Wissen oder Pseudowissen versteckt. Es geht ihm auch nicht um eine sachliche Problemlösung, sondern um Anerkennung. Ungeachtet der Richtigkeit der Information nutzen Besserwisser ihren vermeintlichen Informationsvorsprung oft als Ausdruck ihrer Kompetenz. Und betrachten Kritik an der Sachinformation sofort auch als persönliche Kritik. Das macht den Umgang mit dem Besserwisser zu einem Drahtseilakt. Auf der einen Seite ist es wichtig, den Patienten mit seinem Problem ernst zu nehmen, ihm auch zu zeigen, dass Eigenengagement durchaus wichtig ist und in der Praxis geschätzt wird. Auf der anderen Seite muss er verstehen, dass die medizinische Kompetenz beim Arzt und beim Praxisteam und nicht im Internet liegt.

Besserwisser sind wenig kritikfähig – deshalb sollten Sie im Gespräch selbst groben Unfug nicht gleich Unfug nennen, sondern eher versuchen, durch geschicktes Fragen Sachlichkeit in die Diskussion zu bringen. Wiederholen Sie dazu seine Aussagen. Sie sagen … – habe ich Sie da richtig verstanden? ist eine Rückmeldung, die dem Besserwisser persönliche Anerkennung gibt. Ein vorsichtiges Umformulieren des Sachverhalts in Ihrem Sinn hilft dabei. Im nächsten Satz bringen Sie dann ein neues Argument ein: Ich weiß aber von unserer letzten Fortbildung …

Und wenn alle Stricke reißen? Eine Unterhaltung, die mit: Ich habe aber gelesen anfängt, hat selten ein Happy-End: Dann zeige ich es Ihnen schwarz auf weiß – hier ist der Ausdruck. Diskussionen dieser Art sollten Sie besser Ihrem Arzt überlassen. Wenn sich der Patient aber nur ungenau an die Details erinnern kann, sollten Sie ihn ruhig auffordern, seine Informationen doch beim nächsten Mal mitzubringen.

Der Cyberchonder

Die Suche im Internet birgt auch die Gefahr, dass sich die gesundheitlichen Sorgen des Patienten verstärken – unser Typ 3. Das Phänomen wird manchmal als Cyberchondrie (abgeleitet von Hypochondrie) bezeichnet und definiert sich als eine unbegründete Angst vor ernsthaften Krankheiten.

Der Anteil gesundheitsängstlicher Personen scheint einer Studie zufolge, die im British Journal of Health Psychology veröffentlicht wurde, unter den Nutzern gesundheitsbezogener Online-Angebote höher zu liegen als in der Allgemeinbevölkerung. Die als hypochondrisch klassifizierten Nutzer suchen dabei signifikant häufiger im Internet nach eigenen akuten und chronischen Symptomen und Beschwerden anderer (zum Beispiel von Familienangehörigen) als nicht hypochondrische Nutzer.

Bei gesundheitsängstlichen Patienten wird der Arzt mehr Zeit auf die Ängste der Patienten verwenden müssen. Sie als Praxisteam können das unterstützen, indem Sie Patienten helfen, qualitativ hochwertige Inhalte im Internet zu finden. Entscheidend für die Nutzbarkeit der Informationen ist ihre Qualität und die Verständlichkeit (siehe Webtipps). Während der Patient die Lesbarkeit der Texte noch ganz gut selbst beurteilen kann, wird es bei der inhaltlichen Qualität schwierig. Was ist wirklich wissenschaftlich abgesichert und was interpretiert ein Hersteller nur in Studiendaten hinein? Denn dazu sagt Google natürlich nichts.

Gute Beispiele

Wie es besser gehen kann, zeigt zum Beispiel die Patienten-Website des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Hier stehen nur geprüfte medizinische Informationen, die durch Studien belegt sind. Das Portal von Bundesärztekammer und KBV ist dagegen eine Art Linkliste, die bei der Orientierung im Netz hilft. Sie verweist auf andere Seiten im Internet, die von Fachleuten betrachtet und bewertet worden sind. Weitere hochwertige Angebote finden Sie bei den Krankenkassen wie der AOK.

Webtipps